Mehr als nur eine neue Flexodruckmaschine

Jan Peter Homann

Am 27. und 28. Februar veranstaltet Bobst Bielefeld ein Open House, bei dem die neue Breitbahn-Flexodruckmaschine 20Seven präsentiert wird, die speziell für das Drucken im Extended Color Gamut (ECG) ausgelegt ist.

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Die Breitbahn-Flexodruckmaschine 20Seven von Bobst Bielefeld ist für den Druck flexibler Verpackungsmaterialien und für das Drucken im Extended Color Gamut (erweiterter Farbraum) ausgelegt. (Quelle: Bobst)
600 flächig angeordnete Düsen sorgen sowohl für eine optimale Zwischentrocknung als auch für eine Fixierung des Substrats auf dem Zentralzylinder der 20Seven (Quelle: Bobst)
Die neu konstruierte strömungsoptimierte Kammerrakel ist ein zentraler Bestandteil von smartFlo (Quelle: Bobst])

Doch hinter der Abkürzung ECG verbirgt sich mehr als nur eine neue moderne Flexodruckmaschine für die Bedruckung flexibler Verpackungsmaterialien. Sie spiegelt die strategische Ausrichtung der gesamten Bobst-Gruppe im Verpackungs- und Etikettendruck wider, in der die neue 20Seven ein zentraler Baustein ist.

Revo Digital Flexo

Im Jahr 2013 rief der Etikettendruckmaschinenhersteller Gidue (seit dem Jahr 2015 Bobst Firenze) das Projekt Revo Digital Flexo ins Leben. Das Ziel des Projektes war und ist es, dem Kunden eine schlüsselfertige ECG-Lösung mit sieben Farben für den Etikettendruck anzubieten, die den hohen Anforderungen eines hochautomatisierten und industriellen Druckprozesses standhält. Beim überwiegenden Teil der Kunden von Bobst Firenze war die Arbeitsweise zu Beginn des Revo-Projektes noch sehr handwerklich geprägt. Um das Ziel hin zu einer vollautomatisierten Produktionsweise mit minimalen Rüstzeiten zu erreichen, wurde das Revo-Projekt so strukturiert, dass Partner aus der Zuliefererindustrie zur stetigen Verbesserung des gesamten Druckprozesses bestimmte Aufgabenbereiche betreuen. Bis heute besteht das Revo-Projekt für den schmalbahnigen Flexodruck mit denselben neun Partnern fort:

– Saica (Verpackungs- und Etikettendruck)
– Bobst (Druckmaschinen)
– Esko (Druckvorstufe, einschließlich Belichter für die Druckplatten)
– DuPont (Druckplatten)
– Apex (Rasterwalzen)
– Flint (UV-Druckfarben)
– UPM (selbstklebende Etiketten)
– AVT (100 % Bahninspektion)
– X-Rite (Farbprozesskontrolle)
– Stora Enso (Faltschachtelkarton) ist seit 2017 Projekt-Mitglied

Dieses Team setzte sich gemeinsam das Ziel, einen abgestimmten ECG-Prozess zu entwickeln, bei dem alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind – von der Anlieferung der Kundendaten über die Druckplattenerstellung bis hin zum Auflagendruck. Zudem wurden auf dieser Basis standardisierte Seminare konzipiert, um beim Maschinenhersteller den Gesamtprozess auch praktisch vermitteln zu können. Bobst Firenze hat zu diesem Zweck eine komplette Druckvorstufe einschließlich Datenaufbereitung und Plattenerstellung zu sich ins Haus geholt.

In den ersten beiden Jahren des Revo-Projektes zeigte sich, dass alle Beteiligten ihre Produkte und Komponenten verbessern konnten und auch mussten, um die für ECG notwendige Passergenauigkeit und Farbstabilität sicherzustellen. So entwickelte Bobst Firenze unter anderem einen nahezu automatisierten Montagetisch für Flexodruckplatten, da sich gezeigt hatte, dass die klassische manuelle Druckplattenmontage immer wieder eine Fehlerquelle für Passerprobleme beim ECG ist.

Als Bobst im Jahr 2015 Gidue mehrheitlich übernahm, kaufte es sich somit auch ECG-Kompetenz ein. Federico d’Annunzio, Gründer von Gidue, treibt das Revo-Projekt am Standort Firenze weiter voran und ist innerhalb der gesamten Bobst-Gruppe eine der Personen, die sich gruppenweit um Innovationen und Erfahrungsaustausch kümmern.

Nachdem die beiden ersten Revo-Jahre von technischen Optimierungen der Abläufe geprägt waren, standen ab 2015 die Themen Umsetzung und Schulung im Vordergrund. Die Einführung von Revo macht es für einen Etikettendrucker notwendig, einen Großteil seiner internen Arbeitsabläufe umzustrukturieren. Ist jedoch diese Arbeit getan, erschließen sich dem Drucker neue Geschäftsmöglichkeiten, wie z. B. der Druck verschiedenfarbiger Designvarianten in einem Produktionsdurchgang.

Um diesen Prozess sicher zum Erfolg zu führen, muss neben den Mitarbeitern auch das Management geschult werden. Heute ist das integraler Bestandteil einer jeden Revo-Installation. Nur wenn das Management eines Druckdienstleisters zu 100 % hinter der Einführung von ECG steht und weiß, welche Herausforderungen damit verbunden sind, können die Vorteile von Revo in vollem Umfang genutzt werden.

Mittlerweile sind bei Revo die technischen Komponenten sowie die Schulungen so gut aufeinander abgestimmt, dass rund 20 % aller Schmalbahn-Flexodruckmaschinen von Bobst mit dem Revo-Komplettpaket (Technik, Materialien und Schulungen) verkauft werden. Und 50 % aller verkauften schmalbahnigen Druckmaschinen sind aufgrund ihrer technischen Ausstattung „Revo-Ready“. Das heißt, die Druckbetriebe können damit den Revo-Workflow auch zu einem späteren Zeitpunkt einführen.

THQ Flexocloud – feste Farbpalette im Wellpappen-Postprint

Bobst Lyon stellte im Mai 2017 den Druck mit fester Farbpalette für den Wellpappen-Postprint vor. Alle Sonderfarben werden dabei grundsätzlich aus den Prozessfarben realisiert. Der Workflow wurde mit den Flexodruckplatten von Graphilabe, den Druckfarben von Siegwerk und mit einer Cloud-Anwendung zur Koordination der Produktion abgestimmt.

Situation im Breitbahndruck – speziell in der flexiblen Verpackung

Für den Einsatz von Extended Color Gamut gelten im Breitbahndruck zur Herstellung flexibler Verpackungen andere Rahmenbedingungen als für den Etiketten- bzw. Schmalbahndruck. Federführend bei der Umsetzung sind große Druckereigruppen, die bezüglich Plattenerstellung und Druckfarben schon über hausintern festgelegte Prozesse verfügen, die in der Regel aber nur in größeren Zeiträumen geändert werden können. Eine komplette Standardisierung aller Prozesse (einschließlich der Druckplatten und Druckfarben) ist für dieses Marktsegment nicht zielführend. Außerdem werden für die Bedruckung von flexiblen Verpackungsmaterialien überwiegend lösemittelbasierte Farben eingesetzt, wobei es einen klaren Trend zum Umstieg auf wasserbasierte Farben gibt. Für das Open House arbeitete Bobst Bielefeld mit den Partnern Kodak (Druckplatten), Zecher (Rasterwalzen) und Flint Ink (Druckfarben) zusammen.

Die Entwicklung der 20Seven als Lösung für das Drucken im ECG war von drei Zielsetzungen geprägt:
– Die Einführung von ECG soll mit verschiedenen Druckplatten und Druckfarben möglich sein.
– ECG soll gleichermaßen mit lösemittel- als auch wasserbasierten Farben realisierbar sein.
– Kundenerfahrungen zu ECG-Projekten auf der 20SIX sollen mit einfließen.
Daraus ergaben sich für die 20Seven folgende Innovationen:

smartFlo

Die neu konstruierte strömungsoptimierte Kammerrakel ist ein zentraler Bestandteil von smartFlo (Quelle: Bobst])

Hinter diesem Schlagwort stehen verschiedene Verbesserungen in der mechanischen Konstruktion und Prozessteuerung, um sowohl mit lösemittel- als auch mit wasserbasierten Druckfarben besser vorhersagbare, stabilere und reproduzierbare Druckergebnisse zu erzielen. So arbeiten beispielsweise spezielle Pumpen mit geringerem Druck und höherer Frequenz, was einen ruhigen Farbfluss gewährleistet und die Neigung zum Schäumen insbesondere bei Wasserfarben reduziert.

Eine verbesserte Software zur Viskositätssteuerung berechnet im Vorfeld, wie sich die Zugabe von Lösemittel auf die Farbviskosität auswirkt. Dadurch wird eine Lösemittel-Überdosierung bei der Korrektur der Farbviskosität vermieden.

Die Kammer einschließlich der Rakelmesser-Positionierung wurde komplett neu konstruiert und strömungsoptimiert. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein gleichmäßiger, ruhiger Farbumlauf selbst bei hohen Druckgeschwindigkeiten. Das vermindert bei Wasserfarben nicht nur die Neigung zum Schäumen, sondern gewährleistet bei Lösemittelfarben auch einen besseren Durchlauf. Auch ein Freilaufen der Rakelmesser bei hohen Druckgeschwindigkeiten wird sicher vermieden. Zudem ist die Temperierung der Druckfarbe ein wesentlicher Faktor für einen stabilen Druckprozess.

Tri-Lock

Seit mehr als zehn Jahren verkauft Bobst Bielefeld das smartGPS mit großem Erfolg. Das System dient zur automatischen Voreinstellung von Register und Beistellung außerhalb der Druckmaschine. Das geschieht auf Basis der montierten Flexodruckplatten und der individuell vermessenen Rasterwalzen. Für den hochqualitativen ECG-Druck mit kurzen Einrichtzeiten ist es deshalb ein unverzichtbares Feature.

Bei einer Analyse von Servicefällen rund um diese Voreinstellungen hat sich gezeigt, dass die Konstruktion zur Aufnahme und Arretierung der Druckform und Rasterwalze je nach Krafteinsatz und Feingefühl des Bedieners zu minimalen Abweichungen vom Sollwert führen kann.

Das Tri-Lock-System beseitigt diese Abweichungen, indem es die Druckform und Rasterwalze an drei Punkten statt an zwei Punkten fixiert. Dank der pneumatischen (Torque-)Steuerung geschieht die Arretierung immer mit dem gleichen Krafteinsatz.

Matrix Full Surface Dryer

600 flächig angeordnete Düsen sorgen sowohl für eine optimale Zwischentrocknung als auch für eine Fixierung des Substrats auf dem Zentralzylinder der 20Seven (Quelle: Bobst)

Speziell bei der Verdruckung von Wasserfarben ist die klassische Zwischentrocknung mit einer Düsenzeile über die gesamte Druckbreite energetisch nicht effizient genug. Der Matrix Full Surface Dryer verwendet dagegen 600 flächig angeordnete Düsen, die bei gleichem Energieeinsatz eine deutlich bessere Trockenleistung erreichen, ohne dabei den Lauf des Substrats in der Druckmaschine negativ zu beeinflussen. Beim Einsatz von Wasserfarben werden auch bei Druckgeschwindigkeiten von 300 m/min sehr gute Trocknungsergebnisse erzielt.

Bobst Bielefeld Print Academy

Die Einführung von ECG ist für jede Flexodruckerei eine große Herausforderung. Deshalb ist für dessen erfolgreiche Umsetzung eine praktische Ausbildung an der Druckmaschine von großer Bedeutung. In der Vergangenheit führte Bobst Bielefeld Schulungen auf den gleichen Maschinen durch, die auch für Kundenvorführungen genutzt wurden. Da hierbei öfter unterschiedlichste Substrate, Druckfarben und Plattentypen zum Einsatz kommen, führte das zu häufigen Maschinenumrüstungen. Deshalb wird Bobst Bielefeld ab März 2018 bei sich eine 20Seven bereitstellen, die ausschließlich  Trainingszwecken dient.

Zwischenfazit

Innerhalb der Bobst-Gruppe gibt es mit den Projekten Revo für den schmalbahnigen Flexodruck, THQ für den Wellpappen-Postprint sowie der 20Seven für den Breitbahn-Flexodruck ein klares strategisches Bekenntnis, ECG weiter voranzutreiben. Neben den technischen Features der Druckmaschinen spielt die Ausbildung eine entscheidende Rolle.

Ausblick

Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Bobst Bielefeld wollte von Dieter Betzmeier und Federico d’Annunzio wissen, ob es weitere Felder gibt, bei denen sie noch weiteres Entwicklungspotenzial für einen stabilen ECG-Prozess sehen:

„An zwei Themengebieten arbeitet die Bobst-Gruppe zurzeit sehr intensiv. Dies betrifft zum einen die spektrale Inline-Farbmessung, zum anderen die weitere Verbesserung der halb- bzw. vollautomatischen Plattenmontage. Beides sind wesentliche Elemente, da im ECG-Druck eine kontrollierte und konstante Farbübertragung sowie eine hohe Passergenauigkeit von zentraler Bedeutung sind.“ [4261]