Für seine Verdienste im deutschen Druckmaschinenbau bekommt Dietmar Pötter die Friedrich-Koenig-Medaille verliehen. Derzeit leitet er den Produktbereich Druck- und Veredlungsmaschinen der Windmöller & Hölscher KG in Lengerich. Im Interview mit dem VDMA geht Dietmar Pötter auf die Wichtigkeit seiner Erfahrung als Druckereileiter und eines guten Arbeitsumfeldes für Innovationen ein.
Herr Pötter, in über 60 Jahren sind Sie erst der 12. Empfänger der Friedrich-Koenig-Medaille der Forschungsgesellschaft Druckmaschinen e.V. (FGD), die besondere Verdienste im Druckmaschinenbau ehrt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Pötter: Zunächst einmal hat mich die Nominierung sehr überrascht, da ich die Leistungen der bisherigen Preisträger überaus wertschätze. Dass meine Verdienste in der Fachwelt ähnlichen Stellwert genießen, erfüllt mich natürlich mit Stolz. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass ich hier bei Windmöller & Hölscher auch beste Rahmenbedingungen für diesen Erfolg hatte.
Sie werden für Ihre Beiträge zur technologischen Weiterentwicklung des Flexo- und Tiefdrucks geehrt. Welches Ihrer Patente war Ihr wichtigstes?
Pötter: Wenn ich ein Patent hervorheben sollte, ist es das automatische Anstellen der Format- und Rasterwalzenzylinder an den Gegendruckzylinder. Denn es bringt für die Kunden großen Nutzen, wird dementsprechend häufig eingesetzt und hat sich darum auch gut verkauft. Generell sind mir die Patente wichtig, die intelligentere Maschinen zur Folge hatten: Neue Maschinenkonzepte mit innovativen Automatisierungsmodulen zur Druckwerkpositionierung, Farb- und Druckregelkreise, automatische Sleevewechselsysteme oder wirtschaftliche Trocknungseinrichtungen.
Aber mir ist es wichtig, dass die Ideen erst im Zusammenwirken mit hoch motivierten, hervorragend qualifizierten Kolleginnen und Kollegen zu Patenten reifen konnten. Ein innovatives Umfeld und auch Teamwork zwischen Kunden und Maschinenbauer sind die Basis für gute technische Lösungen.
Können Sie sich an Ihren ersten Tag bei Windmöller & Hölscher im Jahr 1983 erinnern?
Pötter: Einige Eindrücke sind mir noch präsent. Als junger Maschinenbauingenieur von 25 Jahren wurde ich am ersten Arbeitstag vom Personal- und Bereichsleiter in einen großen Konstruktionssaal begleitet und meinen Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Das Tragen weißer, gestärkter „Kittel“ war Pflicht. Die große bronzene W&H–Glocke gab uns das Pausensignal.
Besonders gut erinnere ich mich noch an die übergroßen Konstruktions- bzw. Zeichenbretter – die Digitalisierung war damals noch nicht in die Büros vorgedrungen. Von Einarbeitungsprogrammen war damals keine Rede. Das hat sich zum Glück geändert. Wenn ich sehe, wie heutige Berufseinsteiger bei W&H eingearbeitet werden – da könnte man fast neidisch werden.
Seit damals haben sich Flexo- und Tiefdruck sehr verändert – auch durch Ihre Ideen. Welche Weiterentwicklungen fallen Ihnen auf Anhieb ein?
Pötter: Druckmaschinen haben sich natürlich konzeptionell, also vom Aufbau der mechanischen und verfahrenstechnischen Module, aber auch von der Antriebs- und Regelungstechnik her sehr weiterentwickelt. Bedienung, Handling und der Servicegedanke spielen eine immer wichtigere Rolle. Assistenzsysteme zur Unterstützung des Maschinenführers im Rüstprozess oder zur Inline-Qualitätsüberwachung in der Produktion sind heute Realität.
Ideen für solche Weiterentwicklungen entstehen häufig im engen Dialog mit Kunden und Partnern. Ein praxisnahes Beispiel dafür sind unsere „Easy Module“, die beispielsweise den Zeitbedarf für den Farbabstimmprozess mehr als halbieren.
Sie haben in Ihrer Karriere auf Seiten des Maschinenbaus aber auch auf der Anwenderseite gewirkt. Haben die Jahre als Druckereileiter den Maschinenbauer Pötter verändert?
Pötter: Aus meiner Sicht waren diese Jahre sehr wichtig, um die Anforderungen unserer Kunden an moderne Druckmaschinen besser verstehen zu können. Viele gute Impulse kamen dabei von den Maschinenführern und Instandhaltern.
Einfaches, ergonomisches Handling, gute Bedienbarkeit, Servicefreundlichkeit und Robustheit der Maschinenkomponenten in Verbindung mit den heutigen Assistenzsystemen machen eine gute Maschine aus.
Fürchten Sie als eingefleischter Tief- und Flexodrucker die auch im Verpackungsbereich wachsende Konkurrenz des digitalen Inkjetdrucks?
Pötter: Der Digitaldruck wird sich im Verpackungsdruck sicherlich weiter etablieren. Noch spielt er aber gerade im Markt der flexiblen Verpackungen mit seinen sehr speziellen Anforderungen eine untergeordnete Rolle. Langfristig sehe ich ihn nicht als Konkurrenz zu den etablierten Tief- und Flexodruck-Verfahren, sondern als sinnvolle Ergänzung vor allem für kleinere Losgrößen.
Bis die Herausforderungen des Digitaldrucks im Markt der flexiblen Verpackungen auch in der Praxis gelöst werden, bleibt er vorerst eher ein Forschungs- und Entwicklungsthema – das wir bei W&H aber wichtig nehmen.
War es für Ihre Erfindungen hilfreich, dass die Maschinen und Anlagen der W&H Group den Gesamtprozess von Folienherstellung über Foliendruck bis Abfüllung abdecken?
Pötter: Der Druckprozess ist bei uns eingebettet in eine Gesamtkette vom Rohstoff bis zu fertigen Verpackung. Die Gesamtprozesssicht und das Wissen um Folienrezepturen und die Eigenschaften der immer dünneren Folien sind hilfreich, um den Druck- und Veredelungsprozess zu optimieren.
Beim Blick in Supermarktregale fällt die Perfektion moderner flexibler Verpackungen sofort in Auge. Wo sehen Sie Optimierungspotentiale?
Pötter: Ja, auch aus meiner Sicht haben wir in Europa und auch darüber hinaus eine hervorragende Druck – und Verpackungsqualität erreicht. Optimierungspotenziale erkenne ich gelegentlich in der durchgängigen Farbkonsistenz, also in der Prozessstabilität des Farbraumes sowie vereinzelt in der Passer- bzw. Registergenauigkeit.
Künftig werden intelligente Verpackungen mit RFID-, OLED- und weiteren Technologien den Weg in die Supermarktregale finden. Trends zeichnen sich auch beim Thema Haptik und sensorisch flexiblen Verpackungen ab. Die Kreativität der Verpackungsentwickler ist unerschöpflich.
Print 4.0 ist der Megatrend der drupa 2016. Sie haben in den letzten 30 Jahren viel zur Digitalisierung und Automatisierung von Druckerei-Prozessen beigetragen. Was ist heute anders, als vor 20 Jahren?
Pötter: Der Workflow von der Druckvorstufe in den Drucksaal und die Druckmaschine sowie die Veredelung und Verarbeitung sind schneller, fehlerfreier und transparenter geworden. Oftmals ist die Arbeitsvorbereitung schon direkt mit den Maschinen vernetzt.
Während die Druckmaschinen noch produzieren, werden Folgeaufträge vorbereitet bzw. aufgerüstet. Und die Prozessparameter für einzelne Veredelungsstufen können online überwacht werden, um mit minimierter Makulatur und höchster Prozesssicherheit die geforderte Qualität sicher zu stellen.
Der Blick auf heutige W&H-Maschinen zeigt: Print 4.0 ist bei Ihnen teils schon Realität. Wo sehen Sie Handlungsbedarf auf dem Weg zur durchgehend automatisierten Prozesswelt?
Pötter: Noch gibt es zu viele Systembrüche und Schnittstellen zwischen der Druckvorstufe und den einzelnen Maschinen, die Redundanzen verursachen. Digital vernetzte, „intelligente Maschinen“ sind der Schlüssel zur weiteren Produktivitätssteigerung.
W&H wird auf der drupa solche „intelligenten Druckmaschinen“ vorstellen, die in einer automatisierten digitalen Prozesswelt Fehler erkennen, die Ursachen anzeigen und den Maschinenführern Lösungsmaßnahmen vorschlagen. Schauen Sie gern an unserem Stand vorbei, Sie werden nicht enttäuscht sein!