Wie funktionale Coatings Verpackungen fit für die Zukunft machen
von Ralf Leineweber,
Getrieben durch verändertes Verbraucherverhalten und immer strengere regulatorische Vorgaben hält das Thema Nachhaltigkeit die Verpackungsbranche seit jeher in Bewegung. Mit der EU-Verordnung zu Verpackungen und Verpackungsabfällen (Packaging & Packaging Waste Regulation, PPWR) hat sich der Druck auf die Branche dabei schlagartig um ein Vielfaches erhöht.
Der im November 2022 unterbreitete Vorschlag der EU-Kommission sieht eine weitere Verschärfung der bisherigen EU-Verpackungsrichtlinie (Packaging & Packaging Waste Directive, PPWD) vor, die den Verpackungssektor mit sehr ehrgeizigen Zielen vor eine Reihe neuer Herausforderungen stellen wird.
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“Die Verpackung der Zukunft muss nachhaltig und für eine Kreilaufwirtschaft optimiert sein.”
So sollen unter anderem ab 2030 alle Verpackungen, die in der EU in Verkehr gebracht werden, wiederverwendbar oder recycelbar sein. Dafür soll es für alle Verpackungsmaterialien verbindliche Designstandards geben, um sicherzustellen, dass sie von Anfang an im Kreislauf gedacht und entsprechend mit Blick auf ihre Recyclingfähigkeit designt werden. Diese Anforderungen sollen durch ein System zur Überprüfung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen ergänzt werden, um ihre Einhaltung sicherzustellen. Weiterhin sieht die neue Richtlinie vor, unnötige Überverpackung zu vermeiden und den Anteil von recyceltem Material in Verpackungen verbindlich festzulegen. Um nur einige Bereiche zu nennen, für die die Verpackungsverordnung nach geplantem Inkrafttreten Ende 2024 konkrete Vorschriften und verbindliche Zielwerte vorsieht – und zwar sowohl für Verpackungen aus dem EU-Raum als auch für importiere Verpackungen.
Von Anfang an im Kreislauf denken
Auch wenn die Recyclingquoten in der EU in den letzten Jahren gestiegen sind, ist das Abfallaufkommen in den letzten zehn Jahren um mehr als 20% und damit schneller als das tatsächliche Recycling gewachsen. Als problematisch gelten vor allem überflüssige Umverpackungen, nicht recyclebare Materialstrukturen, ein immer noch sehr geringer Rezyklatanteil in Plastikverpackungen und ein damit verbundener Verlust wertvoller Ressourcen. Ziel aller Bestrebungen der EU-Kommission ist es demnach, die von Verpackungen und Verpackungsabfällen ausgehenden negativen Umweltauswirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus zu reduzieren und so eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal zu realisieren. Die neue Verpackungsverordnung soll hierfür klare Vorgaben geben, um Verpackungen von Anfang an im Kreislauf zu denken und den bislang erheblichen Ressourcenverbrauch gezielt zu mindern.
Auch wenn die neue EU-Verpackungsverordnung Stand heute noch nicht verabschiedet ist und sich ihre konkreten Inhalte immer noch ändern können, so ist eines jedoch bereits klar: Die Verpackung der Zukunft muss nachhaltig und für eine Kreislaufwirtschaft optimiert sein. Folglich steht der Verpackungssektor vor dem größten Umschwung seiner Zeit: Verpackungsdesign, Anlagetechnologien und Prozesstechniken müssen an die Anforderungen von morgen angepasst werden. Der Übergang zu einer nachhaltigeren Verpackungswirtschaft erfordert dabei strukturelle Veränderungen und allem voran eine Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette. Denn nur so lässt sich der Verpackungsprozess ganzheitlich betrachten, um alle Erfordernisse sowohl in Bezug auf Materialien, Verpackungsperformance, Verarbeitungsprozesse und Recycling bereits in der Entwicklungsphase bestmöglich einbeziehen zu können.
Vorsprung durch Recyclingfähigkeit
Die Aufgabe der kommenden Jahre wird somit sein, bisherige Verpackungsstrukturen zu überdenken und nachhaltigere Alternativen zu entwickeln. Dabei werden Verpackungsdesigns, die heute bereits von den Rohstoffen bis zum Recycling ganzheitlich durchdacht sind, immer einen Vorsprung haben, um die neuen EU-Verpackungsregeln und die damit einhergehenden Umsetzungsziele bedienen zu können. Es macht somit Sinn, die Zeit jetzt zu nutzen, um die Entwicklung alternativer Verpackungslösungen mit guter Recyclingfähigkeit in Angriff zu nehmen. Wer zu lange wartet, läuft am Ende eventuell Gefahr nicht mehr rechtzeitig etwaige Auflagen erfüllen zu können, um seine Produkte regelkonform in Europa verkaufen zu dürfen.
“Als Mitglied verschiedener Gremien und Verbände wie z. B. RecyClass, CEFLEX und EuPIA teilen wir nicht nur unser technisches Wissen mit anderen Experten entlang der Lieferkette, sondern haben auch ein ganzheitliches Recycling-Knowhow aufgebaut.”
Dabei sei anzumerken, dass es nicht immer einer großen Design- oder Materialinnovation bedarf, um bestehende Verpackungen recyclingfähig zu machen, ohne dabei ihre Funktionalität und Performance zu mindern. Mithilfe funktionaler Drucklacke und Beschichtungen, sogenannter Coating-Lösungen, lassen sich beispielsweise zusätzliche Materialschichten ersetzen und so die Komplexität von Verpackungsstrukturen reduzieren. Sie spielen generell eine wichtige Rolle beim Wechsel von Multi- zu Monomaterialverpackungen wie z.B. Mono-Polyolefin-Strukturen und damit bei der Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft. Coatings mit technischen Barriereeigenschaften ermöglichen außerdem den Verzicht auf bestimmte Folien wie z.B. Aluminium und fördern damit die Recyclingfähigkeit der Gesamtstruktur. Ferner können sie nachwachsende Bedruckstoffe wie Papier mit funktionalen Eigenschaften ausstatten, so dass sie für eine breitere Palette von Verpackungsanwendungen in Frage kommen – Stichwort Paperization. Doch Coatings können noch mehr: Neben der Verbesserung der Recyclingfähigkeit können funktionale Coatings auch dazu beitragen, die Produktionseffizienz während des Druck- und Verpackungsprozesses oder aber die Haltbarkeit von Verpackungen zu verbessern.
Kreislauffähigkeit dank der richtigen Druckfarben und Coatings
Ganz gleich, ob es um recycelbare Verpackungen aus Monokunststoff oder aber hochfunktionale Verpackungslösungen aus biologisch erneuerbaren Materialien geht, die richtige Wahl von Druckfarben und Coatings ist mitentscheidend für die Kreislauffähigkeit einer Verpackung. Beim Wechsel von PET/PE- zu einer recycelbaren PE/PE-Struktur ist es beispielsweise wichtig darauf zu achten, dass die gewählten Lösungen mit dem PE-Extrusionsprozess kompatibel sind, um einen negativen Einfluss auf die Qualität der recycelten Materialien zu verhindern. Des Weiteren kann durch die Verwendung von Delaminierungs- und Deinking-Primern die vollständige Entfernung von Druckfarben und Lacken von kaschierten und im Oberflächendruck bedruckten Folienstrukturen sichergestellt und so hochwertige Rezyklate für kreislauffähige Abfallströme ermöglicht werden. Bei Papierlösungen sollten andererseits die gewählten Farb- und Coating-Lösungen für das Recycling im Altpapierstrom zertifiziert sein, um eine uneingeschränkte Recyclingfähigkeit über die bestehende Infrastruktur gewährleisten zu können. Unterm Strich: Die technischen Herausforderungen variieren je nach Verpackung, weshalb Lösungen immer zugeschnitten sein sollten auf die jeweilige Endanwendung sowie die individuellen Prozessanforderungen.
Vom Rohstoff bis zum Recycling
Als einer der weltweit führenden Anbieter von Verpackungsdruckfarben und Coatings legen wir bei Siegwerk großen Wert darauf, dass unsere entwickelten Lösungen stets den aktuellen Regularien entsprechen und für die jeweiligen Recyclingprozesse geeignet sind. So sind z.B. alle unsere Coating-Systeme für faserbasierte Verpackungen immer auf ihre Recyclingfähigkeit getestet und für die Entsorgung über den etablierten Altpapierstrom zugelassen und zertifiziert. Unsere Lösungen für Papieranwendungen sind somit alle mindestens für das Standard-Papierrecycling geeignet, manche darüber hinaus mit der Einwegkunststoffrichtlinie der EU (Single-use-plastic directive, SuPD) konform. Bei Coatings für Kunststoff- und Foliensysteme orientieren wir uns ebenfalls stets an den Vorgaben aktueller Regularien einschließlich Mindeststandard und dem derzeitigen Vorschlag zur EU-Verpackungsverordnung (PPWR). So stellen wir sicher, dass unsere Lösungen immer den neusten Ansprüchen an kreislauffähige Verpackungen gerecht werden können.
“In einem anderen Projekt setzte ExxonMobil unseren Hitzeschutzlack CIRKIT HeatGuard ein.”
Zu diesem Zweck halten wir uns nicht nur über gesetzliche Änderungen auf dem Laufenden, sondern beteiligen uns aktiv an der Entwicklung von recycling-relevanten Standards auf EU-Ebene und damit an der Definition dessen, was Recyclingfähigkeit in Zukunft bedeuten wird. Als Mitglied verschiedener Gremien und Verbände wie z. B. RecyClass, CEFLEX und EuPIA teilen wir nicht nur unser technisches Wissen mit anderen Experten entlang der Lieferkette, sondern haben auch ein ganzheitliches Recycling-Knowhow aufgebaut, das es uns ermöglicht, unsere Lösungen stets auf ihre Konformität zu überprüfen. Damit bündeln wir heute Wissen innerhalb der Organisation, das über alle Disziplinen des Lebenszyklus einer Verpackung reicht. Von den Rohstoffen bis zum Recycling – wir wissen, wie sich recycelbare und leistungsfähige Verpackungen heute schon erfolgreich mit spezifischen Druckfarben und Coatings umsetzen lassen.
Wirksame Lösungen für hohe Leistung und Recyclingfähigkeit
Schon heute können wir auf eine Reihe erfolgreicher Entwicklungsprojekte mit Kunden und Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette zurückblicken, die zu fortschrittlichen und teilweise sogar preisgekrönten Verpackungslösungen mit verbesserter Leistung und Recyclingfähigkeit geführt haben. Gemeinsam mit ExxonMobil, Henkel, Kraus Folie und Windmöller & Hölscher haben wir z. B. einen vollständig recycelbaren Monomaterial-PE-Standbodenbeutel mit hervorragender Sauerstoffbarriere entwickelt, der kürzlich erst mit dem Gold-Award des Deutschen Verpackungspreises 2023 ausgezeichnet wurde. In einem anderen Projekt setzte ExxonMobil unseren Hitzeschutzlack CIRKIT
HeatGuard ein, um die Siegeleigenschaften einer recycelbare MDO-PE-Monomateriallösung durch Vergrößerung des Siegelbereiches zu verbessern, so dass eine uneingeschränkte Verarbeitung auf herkömmlichen VFFS-Verpackungsmaschinen möglich ist. Für die Neugestaltung einer Verpackung für Waschpads eines bekannten Markenartiklers haben wir wiederum Beschichtungen entwickelt, die den Wechsel von einem Kunststoffbehälter zu einer Kartonverpackung ermöglichten – mit Erfolg: Die Verpackungslösung wurde mit dem Deutschen Verpackungspreis 2022 in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Darüber hinaus haben wir mit unserem UniNATURE Water-Oil Barrier OPV eine wasserbasierte Barrierelösung aus 100% natürlichen Inhaltsstoffen entwickelt, die für das Recycling von Einwegpapptellern über den bestehenden Papierkreislauf geeignet ist und somit als erste ihrer Art den Anforderungen der Einwegkunststoffrichtlinie SuPD (EU 2019/901) entspricht. Um nur einige unserer Entwicklungsbeispiele zu nennen, die bereits zu marktreifen nachhaltigen Verpackungslösungen geführt haben.
Auch weiterhin setzen wir alles daran, unser Portfolio mit neuen innovativen und nachhaltigen Lösungen zu ergänzen, die die Kreislauffähigkeit von Verpackungen ermöglichen bzw. verbessern. Zu diesem Zweck haben wir unter anderem dedizierte Ressourcen für die Forschung und Entwicklung im Bereich funktionaler Coatings abgestellt und all unsere kreislauffähigen Beschichtungslösungen in unserem neuen CIRKIT-Produktportfolio gebündelt. Bereits heute umfasst CIRKIT-Coatings zum Hitzeschutz, für UV- und Lichtbarrieren, Sauerstoffbarrieren, Fett- und Ölbarrieren sowie Delaminierungs- und Deinking-Primer für die verschiedensten Leistungsanforderungen und Verpackungsanwendungen.
Von mono- und multifunktionalen Barrierelösungen über leistungsstarke Heißsiegel-Coatings bis hin zu Schutz-Coatings für optimale Haltbarkeit und Prozesseffizienz – all unsere wasser- und lösungsmittelbasierten Lösungen werden stets im Hinblick auf Verbrauchersicherheit, Funktionalität und Nachhaltigkeit entwickelt und auf die individuellen Anforderungen zugeschnitten. Eine frühzeitige Involvierung in die Gestaltung von Verpackungsstrukturen ermöglicht es uns dabei, bereits zu Beginn unser technisches Wissen einfließen zu lassen und gemeinsam mit Markenartiklern, Verpackungsherstellern oder Konvertern neue Wege für die Konzeptionierung kreislauffähiger Verpackungen zu beschreiten und heute bereits recycelbare Alternativen für die Zukunft zu entwickeln. Denn 2030 kommt schneller, als man denkt!
Ralf Leineweber stieg als promovierter Chemiker 1994 bei Siegwerk ein. Heute ist er als Head of Global Technology Development u.a. für die Aktivitäten rund um das Thema Kreislaufwirtschaft und Recycling von Verpackungen verantwortlich. Hierzu gehört z. B. die Koordination Partnerprojekten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zwecks Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen sowie die Tätigkeit in Industrieverbänden und Standardisierungsgremien.