Europas Kunststoffindustrie in der Krise

Produktionsrückgang und Wettbewerbsdruck

Recyclingrekord bei Kunststoffverpackungen
Recyclingquote als Hoffnungsschimmer: Die werkstoffliche Recyclingquote für Kunststoffverpackungen im Jahr 2023 auf 68,9 Prozent gestiegen (Quelle: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.)

Die europäische Kunststoffindustrie steht vor wachsenden Herausforderungen. Erstmals verzeichneten Hersteller nicht nur einen generellen Produktionsrückgang, sondern auch einen Rückgang bei recycelten Kunststoffen. Besonders für die Verpackungsbranche stellt dieser Trend eine erhebliche Belastung dar. Der Verband Plastics Europe Deutschland warnt vor negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

Rückläufige Produktion und wachsende Sorgen

Die Kunststoffproduktion in der EU ging 2023 um 8,3 Prozent auf 54 Millionen Tonnen zurück. Auch die mechanische Recyclingproduktion verzeichnete einen Rückgang von 7,8 Prozent auf 7,1 Millionen Tonnen. Gleichzeitig stieg der Einsatz von Rezyklaten seit 2021 um 24 Prozent auf 580 Kilotonnen im Jahr 2024, wobei vor allem Post-Consumer-Rezyklate (PCR) eine entscheidende Rolle spielten.

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Während die globale Kunststoffproduktion um 3,4 Prozent zunahm, sank der europäische Anteil am Weltmarkt auf nur noch 12 Prozent. Zwar exportiert Europa wertmäßig weiterhin mehr Kunststoffe, als es importiert, doch mengenmäßig überwiegen seit 2022 die Importe von Kunststoffgranulaten und seit 2021 auch von Kunststoffprodukten. Der europäische Außenhandelsüberschuss erreichte mit 5,4 Milliarden Euro einen historischen Tiefststand.

Gefährdung der Kreislaufwirtschaft und wirtschaftlicher Druck

Trotz eines hohen Anteils an kreislauffähigen Kunststoffen (2023: 14,8 Prozent) betrug das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr lediglich 0,7 Prozent. Die chemische Recyclingproduktion in Europa belief sich auf 0,12 Millionen Tonnen, während bio-basierte und bio-attribuierte Kunststoffe leicht auf 0,8 Millionen Tonnen anstiegen. Insgesamt liegt der Anteil zirkulärer Kunststoffe in Europa bei 20,6 Prozent.

Dr. Christine Bunte, Hauptgeschäftsführerin von Plastics Europe Deutschland, sieht darin eine Bedrohung für die nachhaltige Transformation der Branche. Die sinkende Nachfrage aus Kundenindustrien und die rückläufige Industrieproduktion in der EU und insbesondere in Deutschland verstärken diese Probleme. Laut Statistischem Bundesamt sank die Produktion von Kunststoffen in Primärformen im dritten Quartal 2024 um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Steigende Abhängigkeit von Importen

Marco ten Bruggencate, Präsident von Plastics Europe, warnt vor einer zunehmenden Abhängigkeit Europas von importierten Kunststoffen, die oft nicht den EU-Standards entsprechen. Bereits jetzt führt das schwierige Investitionsklima zur Abwanderung industrieller Aktivitäten und Investitionen in die zirkuläre Kunststoffproduktion. „Wir haben nur ein kleines Zeitfenster, um Investitionen zu sichern und unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen“, betont ten Bruggencate.

Recyclingquoten als Hoffnungsschimmer

Trotz der alarmierenden Entwicklungen gibt es auch positive Signale. Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen hebt hervor, dass die werkstoffliche Recyclingquote für Kunststoffverpackungen im Jahr 2023 auf 68,9 Prozent gestiegen ist. Zudem sind vier von fünf Konsumverpackungen aus Kunststoff bereits hochwertig recyclingfähig. „Unsere Branche hat frühzeitig ihre Hausaufgaben gemacht“, erklärt Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Andere Industrien wie Bau und Automobil müssten jedoch verstärkt auf den Einsatz von Rezyklaten setzen, um die Kreislaufwirtschaft weiter zu stärken.

Die europäische Kunststoffindustrie steht vor einer schwierigen Phase. Ohne gezielte Investitionen, wettbewerbsfähige Energiepreise und den Abbau von Bürokratie droht Europa langfristig den Anschluss an den Weltmarkt zu verlieren.