Nach einer Integrationsphase im Anschluss an den Zusammenschluss von manroland web systems und Goss International übergibt Alexander Wassermann das Steuer an den neuen Geschäftsführer Franz Kriechbaum. Im Interview reden die beiden über die Vorteile des Zusammenschlusses für das internationale Geschäft der neu formierten manroland Goss Gruppe, über ihre Pläne im Verpackungsmarkt und Service sowie über vollvernetzte Print 4.0 Prozesse im Rollenoffsetdruck.
Herr Wasserman, würden Sie uns die manroland Goss Gruppe vorstellen?
Alexander Wassermann: Gerne. Unsere Wurzeln reichen zurück ins Jahr 1844. Anfang dieses Jahrzehnts geriet manroland in unruhiges Fahrwasser. Nach der Insolvenz im Jahr 2011 stieg die Lübecker Possehl Gruppe ein. Im August 2018 folgte der Zusammenschluss mit Goss International. Gemeinsam sind wir heute Weltmarktführer im Rollenoffsetdruck und beschäftigen etwa 1000 Mitarbeiter. Im Jahr 2018 betrug unser gemeinsamer Umsatz 293 Mio. Euro.
Was versprechen Sie sich von dem Zusammenschluss mit Goss?
Wassermann: Zentraler Treiber ist die Marktkonsolidierung infolge des rückläufigen Druckvolumens im Rollenoffsetbereich. Für uns ist der Merger vor allem aus zwei Gründen interessant: manroland ist in Europa stark vertreten. Goss hatte seinen regionalen Schwerpunkt dagegen im US-Markt gesetzt und sich weitgehend aus den Illustrations- und Zeitungsdruckmärkten Europas zurückgezogen. Allerdings – und das leitet zum zweiten Punkt über – hat Goss hier und haben wir dort noch immer eine große installierte Basis. Wir ergänzen uns also sehr gut, und können gemeinsam auf einem starken Servicegeschäft aufbauen. Wir können manroland Kunden in den USA und Goss-Kunden in Europa nun besser bedienen; und zwar sowohl im Neuanlagen- als auch im Servicegeschäft, welches 2018 zwei Drittel zu unserem Gesamtumsatz beigetragen hat. Hier haben wir eine solide Basis, die weniger volatil ist, als der tendenziell weiterhin rückläufige Neuanlagenmarkt.
Wie reagieren Ihre Kunden – und wie Ihre Gesellschafter?
Franz Kriechbaum: Wir haben ein sehr positives Feedback. Unseren Kunden ist ein gesunder Großbetrieb lieber als Wettbewerb zweier angeschlagener Firmen, deren Zukunft ungewiss ist. Und unsere Gesellschafter geben uns weitestgehend freie Hand. Als hanseatischer Trust mischt sich Possehl nicht in unser operatives Geschäft ein. Hinter Goss steht eine Private Equity Firma, die auf intensiveres Controlling setzt. Das war erst ungewohnt, schafft aber willkommene Klarheit.
Wie entwickelt sich der Rollenoffset-Markt?
Wassermann: Das Geschäft ist wie gesagt weiterhin rückläufig. Außer in Japan und in einigen schwach entwickelten Regionen sind wir mit unserem Portfolio aber sehr gut aufgestellt. Und ich erwarte, dass Papier und Pappe aufgrund der Nachhaltigkeitsdebatte eine Renaissance erleben werden. Denn die Basis sind nun einmal nachwachsende Rohstoffe, die wir seit Langem in funktionierenden Stoffkreisläufen führen. Im Buchdruck spüren wir den Aufwind schon. In diesem Markt verkaufen wir jährlich zwei bis drei neue Rollenoffset-Maschinen. Als „Last man standing“ im großvolumigen Druck haben wir eine gute Ausgangslage – und bis Mitte 2020 sind unsere Auftragsbücher gut gefüllt. Wir sind so dimensioniert, dass wir alle drei Wochen eine neue Maschine ausliefern können.
Sind Ihre Highend-Druckmaschinen dem Trend zu sinkenden Auflagen und schnell wechselnden Druckjobs gewachsen?
Kriechbaum: Ich denke, dass unsere konsequente Automatisierungsphilosophie genau hier greift. Großkunden haben bei Jobwechseln im Schnitt weniger als 200 Exemplare Makulatur und fahren ihre Maschinen konstant 24/7 auf Anschlag mit einem Output von mehreren zehntausend Exemplaren pro Stunde. Im Buchdruck werden bei unseren großen Rollenoffsetmaschinen ebenfalls im 24/7-Betrieb alle 20 Minuten die Platten gewechselt. Das funktioniert per Roboter vollautomatisch. Das Problem unserer Kunden sind die Personalkosten. In vielen Regionen sind große Verlage durch Rahmenbedingungen gezwungen mehr Beschäftigte an ihre Maschinen zu stellen, als es tatsächlich erforderlich ist. Hier sind unabhängige Druckdienstleister im Vorteil, die rund um die Uhr vollautomatisiert arbeiten. Das stellt natürlich hohe Anforderungen an unseren Service. Wir müssen Tag und Nacht verfügbar sein und Serviceintervalle mit den Kunden genau durchplanen, um Ausfallzeiten zu minimieren.
Was erhoffen Sie sich von Ihrer Verpackungsdruckmaschine Varioman?
Wassermann: Im Verpackungsdruck herrschen bislang Flexo- und Tiefdruck-Lösungen vor. Wir bieten dazu mit der Offsettechnik eine Alternative, in der wir ein Höchstmaß an Automatisierung erreicht haben. Die Varioman hat als erste unserer Maschinen ein zugeliefertes Druckwerk, das wir mit unserem Know how in der Automatisierung in eine wirklich industrielle Lösung einbinden. Offset im Verpackungsdruck wird eine Nische bleiben, aber wir sind überzeugt, dass diese Technologie eine interessante Alternative bietet, wo hohe Auflagen und Qualität mit vielen Jobwechseln zusammenkommen. Außerdem haben wir in Versuchen die hohe Flexibilität der Anlage nachgewiesen. Sie kann 10 bis 300 Mikrometer dünne Papiere und Folien mit bis zu 400 m/min bedrucken. Natürlich überlegen wir auch, ob das im Karton- und Faltschachtelbereich Perspektiven bietet. Hier sind vollintegrierte Lösungen denkbar, die von der Rolle mit sieben Farbwerken drucken und inline mit einer Rotationsstanze für die richtigen Formate sorgen. Noch sind die Überlegungen. Jetzt sind wir zunächst gespannt, wie der Markt die Varioman annimmt, die von den Kosten her genau zwischen dem Flexo- und dem Digitaldruck liegt.
Welche Rolle spielt Print 4.0 in Ihren Lösungen?
Kriechbaum: Wir haben den Begriff „Maintellisense“ kreiert, der die Bereiche Wartung, Intelligenz und Sensorik vereint und auf präventive Maschinenwartung sowie die Vernetzung der Maschinen zu unserem Tele-Supportcenter abhebt. Dank dieser Verbindung können wir auf einen breiten Datenpool zugreifen und die darin enthaltenen Informationen systematisch nutzen. Ziel ist es, BigData in SmartData zu wandeln, um ungeplante Stillstandkosten zu vermeiden. Unsere Vision ist es, dass unsere Maschinen sich in fünf Jahren selber diagnostizieren und ihren Betreibern im Fall drohender Störungen konkrete Empfehlungen geben können. Wer einen Servicevertrag mit uns abschließt, erhält von uns automatisch das nötige Material und die nötigen Techniker geschickt, um präventive, geplante Wartungen durchzuführen. Wir sind mit der Vernetzung sehr weit und sind dabei, den Einsatz von Artificial Intelligence weiter voranzutreiben. Möglichweise bieten sich Chancen, unser Know-how in dem Bereich künftig auch in andere Industrien hineinzutragen.
Wie steht es um die Kompatibilität ihrer Vernetzungslösungen?
Wassermann: Wir setzen bei unseren PECOM-Hard- und Softwarelösungen auf nicht-proprietäre Technik, um unseren Kunden maximale Flexibilität zu bieten.
Wo sehen Sie aktuell Wachstumspotential für die manroland Goss Gruppe?
Kriechbaum: Unsere Kunden nutzen unsere Anlagen, setzen beim Service und bei der Ersatzteilbeschaffung aber durchaus auch alternative Anbieter. Manche sehen wir gar nicht mehr, andere setzen komplett auf uns. Doch im Schnitt sind es kaum 20 Prozent. Wenn wir diesen Anteil auf 30 Prozent steigern, dann steigt unser Umsatz in diesem Bereich von 200 auf 300 Mio. Euro. Service können wir – müssen aber das Vertrauen unserer Kunden zurückgewinnen und sie davon überzeugen, dass wir ihnen im Alltagsgeschäft wirklich weiterhelfen. Wir waren zu lange auf das Neuanlagengeschäft fokussiert. Weiteres Potential sehen wir im Automatisierung- und Retrofit-Bereich. Um es zu heben, verstärken wir uns durch gezielte Akquisitionen. Wir können Bestandsanlagen von manroland, von Goss und von anderen Anbietern mit unseren Lösungen fast immer auf den neuesten Stand der Technik bringen. Im Bereich Automatisierung und Vernetzung stellen wir gezielt Ingenieure und IT-Fachleute ein. Sobald sie verstehen, wie hoch das technologische Niveau in der Drucktechnik ist, müssen wir in der Regel keinerlei Überzeugungsarbeit mehr leisten. Schwieriger ist es, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Wie stellen Sie sich manroland Goss im Jahr 2030 vor?
Kriechbaum: Ich denke, wir werden auch 2030 der verlässliche Anbieter von Rollenoffsetanlagen sein, der wir heute sind. Wir werden zudem einen Namen in der Verpackungsbranche haben und mit unseren flexiblen Lösungen erfolgreich eine Nische besetzen. Und nicht zuletzt werden wir uns mit unseren innovativen Industrie-4.0-Lösungen von vielen Me-too-Ansätzen abheben, indem wir wirklich halten, was das Schlagwort „Predictive Maintenance“ verspricht. [9824]
(Textquelle: VDMA)