Neue Kundenwünsche, gesteigerte Qualität und höhere Durchsätze dynamisieren den Verpackungsdruck. In den kommenden Jahren werden die ersten rein digitalen Druck- und Verarbeitungslinien für die Verpackungsproduktion reif sein.
Vor rund zwanzig Jahren wurden die ersten Etiketten digital gedruckt. Seither hat das Verfahren stetig an Boden gewonnen: Jedes zweite Etikettendrucksystem arbeitet mittlerweile mit Laser- oder Inkjet-Technologie. Angesichts vielfältiger Vorteile überrascht das nicht. Anders als im Flexo- oder Offsetdruck können beispielsweise auch Kleinserien rentabel produziert werden – passend zu den immer kürzeren Lebenszyklen bei Konsumgütern. Und auch in der Verpackungsbranche ist die Zeit reif für Digitalisierung. Noch ist der Anteil digitaler Maschinen deutlich geringer als bei Etiketten, doch nach zögerlichen Anfängen stehen die Zeichen klar auf Wachstum.
Denn der Trend zu Differenzierung, Individualisierung und Personalisierung ist bei den Markenherstellern angekommen. Zu den Vorreitern zählte Coca-Cola mit Coca-Cola Light und Coca-Cola Zero. Mittlerweile gibt es viele weitere Varianten: ohne Zucker, ohne Koffein, mit Himbeer-, Vanille- oder Zitronengeschmack … Jedes dieser Produkte wird in Verpackungen verschiedener Form und Größe angeboten: PET-Flaschen, Glasflaschen, Dosen, 33 cl, 1 l, 1,25 l, 1,5 l … Und Coca-Cola ist nur ein Beispiel unter vielen. Zusehends wird Diversifikation als Erfolgsfaktor erkannt.
Verbraucher haben immer speziellere Anliegen. Dem muss das Produktangebot Rechnung tragen. So sprach Coca-Cola mit der Kampagne „Share a Coke“ gezielt die Millennials und Anhänger der Bewegung „Me, Myself and I“ an – ein durchschlagender Beweis für den Reiz der Massenpersonalisierung. Kein Wunder, dass das Konzept Nachahmer findet: Eine regelrechte Verpackungsrevolution, mit unzähligen Varianten nach Ländern, Bedürfnissen und Lebensstilen, ist ausgebrochen. Gerade auch kleinere Akteure, wie Hersteller von Konfitüren, Energydrinks oder Hautcremes, mischen kräftig mit. Der boomende Onlinehandel, der besonders gut mit dem On-Demand-Konzept harmoniert, tut sein Übriges. Auf der Drinktec 2017 in München präsentierte Krones, ein führender Anlagenhersteller für die Getränkeindustrie, „Bottling on Demand“ – eine hochflexible Produktionslinie, mit der sich Getränkevarianten für einzelne Verbraucher (z. B. eine Orangenlimonade) in Halbliter-Glasflaschen abfüllen und in Packs von 1, 4 oder 6 Flaschen bestellen lassen.
Entsprechend könnten auch Joghurthersteller mit individuellen Multipacks punkten, die nur die Lieblingsgeschmacksrichtungen eines Kunden enthalten. Und tausende weitere Produkte kommen in Betracht. Auf ganz ähnliche Weise, nämlich nach dem Just-in-time-Prinzip, reduziert ja auch die Automobilindustrie ihre Lagerkosten. Die individuellen Verpackungen, die für individuelle Produkte nun einmal erforderlich sind, lassen sich nur im Digitaldruck wirtschaftlich produzieren. Gleiches gilt auch für Testserien und Prototypen.
Ein weiterer Grund für die erwartete Digitalisierung des Verpackungsdrucks liegt in der Technologie selber. So konnte die Druckqualität in den vergangenen zehn Jahren drastisch verbessert werden. Sowohl bei Laser- als auch bei Inkjetsystemen hat sich die Auflösung von 600 auf 1200 dpi verdoppelt. Da braucht man wahrlich Adleraugen, um noch einen Qualitätsunterschied zu Offsetdrucken zu erkennen! Auch die Druckgeschwindigkeit ist deutlich gestiegen. HP brachte bereits 2012 die Digitaldruckmaschinen HP Indigo 20000 und 30000 für Folien bzw. Karton auf den Markt. Die Indigo 20000 erreicht 34 m/min im Vierfarbdruck (45 m/min im 3-Farb-Emulationsmodus), während die Indigo 30000 bis zu 3450 Bogen pro Stunde im Vierfarbdruck (4600 im 3-Farb-Emulationsmodus) produziert.
Auch der Inkjetdruck hat nun aufgeholt. Die im September 2018 eingeführte Fujifilm Jet Press 750S ist mit 3600 Bogen pro Stunde die laut Hersteller schnellste B2-Vierfarb-Digitaldruckmaschine auf dem Markt. Im Rollendruck präsentiert sich Kodak mit der von Uteco beigesteuerten Stream-Technologie als einziger Anbieter, der 300 m/min erreicht – bei einer Auflösung von 600 dpi und einer Bahnbreite von 650 mm. Auf der drupa wird der amerikanische Hersteller, der auch mit „äußerst konkurrenzfähigen“ Betriebskosten im Vergleich zum Laserdruck wirbt, eine mit 1200 dpi auflösende Ultrastream-Technologie vorstellen. Speziell die hohen Druckgeschwindigkeiten ermöglichen einen direkten Wettbewerb zu konventionellen Druckverfahren. „Nach unseren Berechnungen ist Inkjet bei bis zu 20.000 Quadratmetern erste Wahl. Jenseits davon wird Flexodruck wirtschaftlicher“, so Dan Denofsky, Director of Partner Business Development, Kodak. Bis vor Kurzem lag diese Schwelle noch bei bestenfalls 10.000 Quadratmetern, während man im Bogendruck gemeinhin von aktuell 5000 und längerfristig bis zu 10.000 Bogen spricht. Ein Paradigmenwechsel bahnt sich an: Der lange Zeit auf Kleinserien beschränkte Digitaldruck erobert zusehends die Großauflage. Dies liegt wohl auch daran, dass die Spezialisten auf dem Markt Konkurrenz bekommen haben: Führende Hersteller konventioneller Druckmaschinen, wie Koenig & Bauer, Heidelberg und Bobst, seit jeher in der Großauflage bewandert, haben mit eigenen Digitaldrucksystemen das Angebot diversifiziert, den Wettbewerb intensiviert und das Preisniveau reduziert. Eine schnelle Bogen- oder Rollendruckmaschine erfordert eben auch einen entsprechend schnellen und sicheren Materialtransport. Und genau da kann diesen Herstellern keiner etwas vormachen.
Ein dritter Wachstumsfaktor für den Digitaldruck ist der Bereich Veredelung und Weiterverarbeitung. So werden für Etiketten und Verpackungen häufig Vergoldungen oder Prägungen verlangt – nicht nur bei Parfums, Pralinen oder Luxuswaren, sondern beispielsweise auch bei Weinen und Bieren. Hologramme und unsichtbare Markierungen bieten derweil einen optisch unauffälligen Schutz vor Produktfälschungen, etwa in der Pharma- und Tabakindustrie. Und vielleicht werden schon bald gedruckte RFID-Antennen in Metallic-Farben die Interaktion mit dem Kunden ankurbeln – effektiver und ästhetischer als die derzeit üblichen QR-Codes. Hier kommen innovative Digitaltechnologien von Anbietern wie Scodix und MGI ins Spiel. Bei Geschwindigkeiten zwischen 4000 und 5000 Bogen pro Stunde können sie die unterschiedlichsten visuellen und haptischen Effekte aufbringen: Prägung, Metallisierung, 3D-Lackierung… Rein digital kann es auch beim Schneiden und Rillen zugehen: Entsprechende Maschinen von Highcon erreichen bis zu 5000 Bogen pro Stunde.
Schon in naher Zukunft könnte es also rein digitale Produktionslinien für Bogen- oder Rollenmaterialien geben. Ob Folie, Papier, Karton oder Wellpappe: Druck, Veredelung und Weiterverarbeitung in einem einzigen, vollständig digitalisierten Arbeitsgang! All dies wohlgemerkt bei Auflagen bis zu 20.000 m² oder 20.000 Bögen. Nur bei noch größeren Mengen wäre Flexo- oder Offsetdruck weiterhin die wirtschaftlichere Wahl.
Dieser Umbruch in der Verpackungsproduktion verlangt eine Neuausrichtung aller Wertschöpfungsketten. Bei immer vielfältigeren Druckserien jeder Größe wird es völlig neue Workflows, Materialien und Endprodukte geben. Hersteller werden in ihre IT-Ausstattung und in Personal mit zusätzlichen Fähigkeiten investieren müssen, und auch für die Kunden brechen neue Zeiten an.