Eine Kooperation zwischen Südpack, einem Hersteller von Folien- und Verpackungsmaterialien, und Carbolig, dem Betreiber einer Pilotanlage zur Verölung von Kunststoffabfällen, zeigt den Beitrag des chemischen Recyclings zur Verwertung von Verbundmaterialien wie flexible Mehrschichtfolien, die mechanisch nicht recycelt werden können. Zwar hat Südpack den Anteil an recyclingfähigen Monostrukturen stark ausgebaut, aber für viele Anwendungen sind Verbundfolien aus unterschiedlichen Polymeren auch künftig unverzichtbar.
Nicht nur das Recycling selbst ist ein Hemmnis, auch der Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen ist nur sehr beschränkt möglich. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen darf nur ein sehr geringer Anteil an Rezyklaten in sogenannten „kontaktsensitiven“ Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass für derartige Produkte nach heutigem Stand keine Kreisläufe auf der Basis von mechanischem Recycling geschlossen werden können. Eine Ausnahme bildet der Werkstoff PET für die Produktion von Getränkeflaschen, für den es bereits seit vielen Jahren einen Wertstoffkreislauf gibt. Daher ist das chemische Recycling als komplementäre Technologie zum mechanischen Recycling anzusehen, weshalb Südpack mit Carboliq eine strategische Kooperation einging.
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Die Carboliq-Technologie
Im Hinblick auf seine Anwendung als ein Verfahren zur Abfallbehandlung ist die Carboliq-Technologie den stofflichen Recyclingverfahren zuzuordnen. Es handelt es sich um ein fortgeschrittenes thermo-chemisches Verfahren und wird auch als Direktverölung bezeichnet.
Das Verfahren zur Vergasung oder Pyrolyse bedeutet die Umwandlung fester organischer Stoffe (Kunststoffe und Biomasse) durch Teilung (Cracken) der Kohlenwasserstoffketten in Öle und Gase. Die Direktverflüssigung in einem einstufigen Verfahren ist durch den hohen Flüssiganteil charakterisiert, was auf die geringe Reaktions-Temperatur (unter 400°C) und hohe Verweilzeit zurückzuführen ist. So ist die Verkokung ausgeschlossen und es bilden sich keine giftigen Pyrolysegase. Die niedrige Temperatur, die Einstufigkeit des Verfahrens und die Einbringung der Energie über Friktion direkt ins Material ermöglichen die Stoffumwandlung bei relativ geringem Energieeinsatz. Wird der für den Anlagenbetrieb benötigte Strom künftig zudem aus regenerativen Quellen bezogen, ist das Verfahren vollständig klimaneutral. Weder das Verfahren noch die eingesetzte Energie emittieren CO2.
Der unter dem Namen CLR (Circular Liquid Ressource) von Carboliq vermarktete Sekundär-Rohstoff ähnelt dabei in vielen wesentlichen Eigenschaften fossilem Erdöl bzw. den daraus gewonnenen Produkten – und ist somit ein vollwertiges Substitut fossiler Ressourcen. Er kann in bestehenden Anlagen der Raffinerien/Petrochemie verarbeitet werden, ist mit fossilen Ölen mischbar und ebenso wie diese lagerfähig.
Welche Kunststoffabfälle können verflüssigt werden?
Die Technologie zeigt eine hohe Toleranz gegenüber Verunreinigungen und Sortenmischungen. Daher eignet sich das Verfahren für unterschiedlichste, auch verunreinigte, gemischte oder andere Kunststoffe. Ebenso wie für flexible Verpackungen und für die Wiederverwertung von hochkomplexen Mehrschichtfolien aus mehreren Kunststoffarten, die insbesondere in der Lebensmittelindustrie üblicherweise zum Einsatz kommen. Die Kunststoffabfälle müssen im Vorfeld also nicht aufwändig gesammelt und sortiert werden, um homogene Abfallströme und hochwertige Rohstoffe zu erhalten Es muss allerdings bekannt sein, welche Zusammensetzung der Infeed hat, um eine Anlage optimal zu fahren und am Ende Material erhalten zu können, welches sich in großchemischen Industrieanlagen wie einem Cracker verarbeiten lässt.
Erträge aus Abfällen
Die Pilotanlage in Ennigerloh hat eine Kapazität von 1500 t/a. Allein in Deutschland werden jedes Jahr mehr als 6 Mio. t Plastikmüll erzeugt und behandelt. (Basis: Conversio für 2019). Statistisch wird etwa die Hälfte energetisch und stofflich genutzt.
Wenn die zur Verbrennung vorgesehenen Kunststoffe auch nur die Hälfte mittels des neuen Verölungs-Verfahrens aufgearbeitet würden (entspricht 1.500 Modulen), dann steigt die Recyclingquote für Kunststoffe um mehr als 50%, reduzieren sich die CO2-Emissionen durch Verbrennung um mehr als 40% und es entsteht ein Ertragspotenzial aus dem Verkauf von CLR von mehr als 2 Mrd. Euro. Im ersten Halbjahr 2023 soll noch eine Investitionsentscheidung für den Bau einer neuen Anlage mit einer Kapazität von 10.000 t/a in der Nähe von Köln getroffen werden.