Interview mit Stefan Meißner

XJDF – Infrastruktur für den Verpackungsdruck 4.0

Stefan Meißner (Quelle: Jan-Peter Homann)

Mit XJDF erhält der herstellerübergreifende JDF-Standard für die Automatisierung in der Druckindustrie eine grundlegende Renovierung. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick und befragt Stefan Meißner von CIP4 zur Entwicklung und Anwendung von XJDF.

von Jan-Peter Homann

JDF steht für „Job Description Format“ und gründetet mit Einzug der Digitalisierung Ende der 1990er Jahre in die Druckindustrie auf der Idee, eine Auftragstasche zur Abwicklung von Druckaufträgen abbilden zu können. Alle an einem Druckprodukt beteiligten Maschinen – von der Vorstufe über den Druck bis zur Weiterverarbeitung – sollten aus dem zentralen JDF Job-Ticket ihrer Steuer-Informationen pro Auftrag beziehen, um gedruckte Laufzettel mit handschriftlichen Notizen und gedoppelte manuelle Eingaben an unterschiedlichen Maschinen überflüssig zu machen.

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In klar begrenzten Teilbereichen hat sich ein automatisierter Datenaustausch auf JDF-Basis sehr bewährt. So können z. B. beliebige Workflow-Systeme der Druckvorstufe Daten zur Farbbelegung eines Druckjobs mit Offsetdruckmaschinen beliebiger Hersteller austauschen. Für eine optimale Voreinstellung der Druckmaschine mit minimaler Makulatur ist das ein zentraler Baustein und mittlerweile Standard in jeder größeren Offsetdruckerei.

Die Vernetzung von Maschinen verschiedener Hersteller in anderen Anwendungsbereichen mittels JDF führte wiederum oft zu einem sehr hohen Aufwand für das Projekt-Management. Gründe waren insbesondere:

  1. Der Ansatz möglichst alle Auftrags- und maschinenspezifischen Parameter in einem digitalen Ticket bündeln zu wollen, führt schnell zu einer hohen Komplexität des Tickets.
  2. Über die Jahre ist der JDF-Standard durch Wünsche verschiedener Maschinen- und Software-hersteller sehr umfangreich geworden. In unterschiedlichen Segmenten wie z. B. Offsetdruck, Digitaldruck und Druckvorstufe hatte dies für sehr ähnliche oder gleiche Sachverhalte zu parallelen Entwicklungen geführt.
  3. Als die Struktur von JDF entwickelt wurde, war auch XML noch sehr neu – es gab also noch keine Best Practices, wenig Tools und Erfahrungen.
  4. Einige Maschinenhersteller taten und tun sich schwer, offene Schnittstellen für einen Datenaustausch zu schaffen. Die Punkte eins bis drei werden durch XJDF abgedeckt: XJDF ist ein reines Schnittstellenformat – es existiert nur noch zum Kodieren und Übertragen von Informationen. Es ist keine Datenbank mehr, und benötigt auch keine Prozesslogik. Als Resultat wird das Dokument sehr viel schlanker und einfacher.

Das Betreiberkonsortium CIP4 hat die XJDF-Spezifikation deutlich verschlankt, um sicherzustellen, dass diese in sich konsistent sind. Für die Modellierung und Steuerung des Datenaustauschs auf Basis von XJDF können Standard XML-Tools verwendet werden.

Bei Punkt 4 sind die einzelnen Maschinenhersteller und Softwareanbieter gefragt. Je mehr Gewicht die Automatisierung im Verpackungsdruck bekommt, desto notwendiger werden offene Schnittstellen bei den verschiedenen Lösungen, um am Markt bestehen zu können.

XJDF steht als vorläufige, aber weitgehend stabile Spezifikation seit vielen Monaten öffentlich unter https://confluence.cip4.org/display/PUB/XJDF zur Verfügung. Einige Pioniere arbeiten damit schon in der Praxis. Verschiedene Hersteller bereiten derzeit die Integration in ihre Produkte vor. Die neue CIP4 Kooperationsplattform (https://con­fluence.cip4.org/) wendet sich an Entwickler in Druckereien und an Hersteller. Hier werden die aktuellen XJDF-Spezifikationen – fertig für die Nutzung in Standard-XML-Tools – kostenlos für Endanwender zur Verfügung gestellt.

Die Plattform ist auch für Personen und Firmen, die (noch) keine CIP4-Mitglieder sind, kostenlos nutzbar, um z. B. Problemstellungen in der Nutzung von XJDF zu diskutieren oder Vorschläge zur Erweiterung der XJDF-Spezifikation einzubringen. Weitere Leistungen wie z. B. die Nutzung der CIP4, JDF und XJDF Logos im Marketing oder das Stimmrecht bei der Erweiterung der Spezifikation, sind den zahlenden CIP4-Mitgliedern vorbehalten.

 

Stefan Meißner im Interview

Herr Meißner, Sie sind bei einem großen europäischen Online-Drucker Software-Architekt für die Automatisierung, sind Chairman der CIP4-XJDF-Workgroup und haben ein Buch über XJDF veröffentlicht. Welche Rolle spielt XJDF in Ihrer beruflichen Praxis?

Meißner: XJDF ist mein ständiger Begleiter in der beruflichen Praxis. Wie in jeder Industrie liegt auch in der Druckindustrie ein besonderer Fokus auf der Optimierung und Automatisierung von Prozessen. XJDF und Automatisierung in der Druckindustrie sind im Grunde die zwei Seiten derselben Medaille: Eine maschinenlesbare Beschreibung aller benötigten Informationen (Auftragsdaten, Maschinenzustände etc.) bildet die Grundvoraussetzung der Automatisierung von Prozessen.

Man könnte sogar so weit gehen und behaupten: Nur was maschinenlesbar beschrieben werden kann, kann im nächsten Schritt auch automatisiert werden. XJDF ist eine ganzheitliche Sprache, welche es ermöglicht, sämtliche relevante Informationen, die in einem Druckprozess benötigt werden, maschinenlesbar, eindeutig und strukturiert zu beschreiben. Insofern wird man beim Thema Automatisierung in der Druckindustrie an XJDF faktisch nicht vorbeikommen.

 

Die XJDF-Spezifikation steht seit einigen Jahren in vorläufigen Versionen bei CIP4 zum allgemeinen Download zur Verfügung und wird voraussichtlich zur Drucklegung dieses Artikels final veröffentlicht. Inwieweit nutzen Sie die Möglichkeiten von XJDF?

Meißner: Ich nutze XJDF in meiner beruflichen Praxis eigentlich schon seit den Anfängen von XJDF. Erste XJDF-Prototypen haben wir bereits 2009 entwickelt. Unsere damalige Vision war es, JDF stark zu vereinfachen und das Datenformat auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. Insofern kann man sagen, dass ich XJDF über die Zeit bereits in sämtlichen Facetten in meine berufliche Praxis integriert habe.

 

Herr Meißner, JDF und XJDF haben ihre Wurzeln im Offsetdruck. Warum sollten sich Hersteller und Druckereien im Flexo- und Tiefdruck bzw. im digitalen Verpackungsdruck hier engagieren?

Meißner: Erste Wurzeln von JDF und XJDF kann man sogar schon in den 90er-Jahren finden (z. B. PPF). Über die Jahrzehnte wurden viele Expertendiskussionen innerhalb des CIP4-Konsortiums geführt, denen zunächst einmal eine gemeinsame Sprache gefunden werden musste. Ein zentrales Problem in den 90er-Jahren war es, dass gleiche Begriffe aus unterschiedlichen Bereichen der Druckindustrie teilweise unterschiedliche Bedeutungen hatten. Eine gemeinsame Sprache ist jedoch für die Schaffung eines Standards absolute Grundvoraussetzung.

Nachdem Sprachliches geklärt war, mussten einzelne Arbeitsschritte (in JDF: Processes) identifiziert und beschrieben werden (Drucken, Schneiden, Perforieren, Lochen, Verpacken, usw.). Darüber hinaus war es auch wichtig, eine Beschreibung von Druckaufträgen zu finden, so dass diese unabhängig vom Produktionsweg eindeutig beschrieben werden konnten.

Jeder, der auf XJDF setzt, kann von diesen grundlegenden und sehr langwierigen Arbeiten profitieren. Wenn ich andere Druckverfahren betrachte, wie z. B. den Flexodruck, den Tiefdruck bzw. den digitalen Verpackungsdruck, bin ich mir sicher, dass bereits weit über 80 % der Prozesse und Produkte in XJDF beschrieben werden können. Wenn sich Interessenten für eine CIP4-Arbeitsgruppe finden, ist es ein überschaubarer Aufwand, XJDF um die Feinheiten der genannten Druckverfahren zu ergänzen. [4146]