Neue Haptiklacke für den Verpackungsdruck

In einer Zeit, in der durch den Onlinehandel das physische Erleben eines Produktes nachgeordnet ist, wird die tatsächliche Wahrnehmung der Ware umso wichtiger. Multisensorische Marketingkommunikation ist deshalb für Markenhersteller zum Werkzeug geworden, um die Kaufentscheidung des Kunden zu fördern und zu bestätigen. Denn am Point of Sale entscheiden allerkleinste Anreize darüber, ob ein Produkt gekauft wird oder nicht. Druckfarbenhersteller hubergroup hat in einem Pilotprojekt neuartige Haptiklacke für den Tief- und Flexodruck entwickelt, mit deren Hilfe Verpackungen einzigartig erscheinen.

Regel im multisensorischen Marketing: Haptik ergänzt Optik

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Gesehen – gekauft: Diese einfache Entscheidung fällt nur bei Produkten, deren Wert bereits bekannt ist. Doch jedes Jahr kommen 30.000 neue Produkte auf den Markt, die sich ihre Käufer erst erobern müssen. Und da reicht der erste visuelle Eindruck in der Regel nicht aus. Der Mensch neigt unbewusst dazu, seine Wahrnehmung mithilfe von weiteren Sinneseindrücken zu überprüfen. Ein Beispiel ist der Obst- und Gemüseeinkauf. Ein Pfirsich sieht lecker und reif aus, seine Haut fühlt sich angenehm weich, aber nicht matschig an, der Druckwiderstand signalisiert, dass die Bissfestigkeit des Pfirsichs genau richtig ist. Wenn er dann noch aromatisch riecht, ist er schon so gut wie im Einkaufskorb gelandet. Visueller, haptischer und sensorischer Sinneseindruck stimmen in diesem Beispiel überein.

Der Tastsinn spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung. Wer ein Produkt anfasst, erhält Informationen über Material, Oberfläche, Textur, Gewicht, Temperatur und Konsistenz. Im wahrsten Sinn des Wortes begreift und versteht man das, was man fühlt. Die Haptik eines Gegenstands ergänzt und verstärkt den visuellen Eindruck, da über die Berührung andere Informationen transportiert werden.

Druckfarbenhersteller hubergroup hat neue Haptiklacke entwickelt, die unterschiedliche Oberflächen simulieren: Leder, Sand, Textil, Samt, Holz
Quelle: hubergroup

Durch das Zusammenspiel der sinnlichen Eindrücke werden im Gehirn Gedanken und Gefühle wachgerufen, die damit verknüpft sind. Die in Gang gekommenen Assoziationsketten setzen wiederum Emotionen und Erinnerungen frei, in die das Produkt eingebettet wird. Das haptische Produktdesign macht sich all diese Erkenntnisse zunutze. Sein Ziel ist, die Marketingbotschaft zu stützen, ein authentisches Gefühl hervorzurufen und Komfort zu erzeugen.

Verpackungsdesign setzt verstärkt auf Haptiklacke

Multisensorisches Marketing hat seit langem seinen Niederschlag im Verpackungsdruck gefunden, wo mit Lacken nicht nur die Oberfläche geschützt, sondern gezielt das Design veredelt wird. Unterschiedliche Matt- und Glanzeffekte können individuelle Highlights setzen, den Produkten eine außergewöhnliche Note geben und bestimmte Produkteigenschaften herausheben. Doch Matt- und Glanzeffekte waren nur der erste Schritt. Erfolgreich haben sich inzwischen auch Softtouch- und Papertouch-Lacke im Markt etabliert.

Da die Nachfrage von Verpackungsdesignern und Markenherstellern nach neuen haptisch wahrnehmbaren Druckveredelungen anhält, hat die hubergroup in einem Pilotprojekt 2017 begonnen, neuartige haptische Lacke, vor allem für den Lebensmittelverpackungsdruck, zu entwickeln. „Aktuell stellen wir fünf neue Lacke mit interessanten haptischen Eigenschaften im Markt vor, die für den Tief- und Flexodruck geeignet sind“, so Dr. Lars Hancke, Manager Business Development Flexible Packaging bei hubergroup. Diese nächste Generation an Haptiklacken fühlt sich wie Leder, Sand, Textil, Samt oder Holz an.

Herausforderungen bei der Entwicklung

Eine Herausforderung bei der Entwicklung dieser Lacke war, zu definieren, wie sich diese Eindrücke anfühlen. „Haptik ist schwer messbar. Wir haben mehrere Testpanels durchgeführt, und unsere Testpersonen meldeten höchst unterschiedliche und sehr subjektive Assoziationen zurück“, erzählt Lars Hancke. „Jeder empfindet zum Beispiel Leder ganz anders; die einen erwarten etwas ganz Weiches und Warmes, die anderen wollen ein gewisse Härte und Widerstandsfähigkeit spüren. Da ist ein Softtouch-Lack, der sich wie ein Pfirsich anfühlt, schon viel einfacher.“

Dr. Ralf Büscher, R&D-Experte für flexible Verpackungen bei hubergroup, löste mit seinem Team das Problem, indem er Haptik-Kriterien definierte: „Die wichtigsten drei Gegensatzpaare, um haptische Eindrücke zu beschreiben, sind hart/weich, klebrig/rutschig und rau/glatt. Es ist die Kombination dieser Merkmale, die den haptischen Eindruck ausmacht. Softtouch-Lack zum Beispiel ist ganz klar bei weich/glatt/rutschig angesiedelt.“ In dieses dreidimensionale Koordinatensystem mussten die Probanden des Pilotprojekts nun jeden neu entwickelten Lack einordnen. Durch die persönliche Sensibilität der Testpersonen ergaben sich unterschiedlich ausgeprägte Einschätzungen.

Die Rohstoffe wurden in einer dreidimensionalen Charakterisierungstabelle bewertet, um sie für den gewünschten Haptikeffekt einzuordnen
Quelle: hubergroup

Ralf Büscher: „Nachdem wir die Tester gebeten hatten, die im Labor erzeugten Muster nach den drei Begriffspaaren auf einer jeweils fünfstufigen Skala einzuordnen, sollten sie aussagen, ob und inwieweit diese ihrer Vorstellung von bestimmten Oberflächen wie zum Beispiel Leder, Holz oder Gewebe entsprechen. Die Antworten wurden in eine lineare numerische Skala verrechnet, deren Maximalwert dann erreicht wurde, wenn alle Bewerter die höchste Stufe für das Merkmal gewählt hatten. Dementsprechend zeigten sich Materialien, die unterschiedliche Vorstellungen hervorriefen, in Form von breiten Balken in der Tabelle. Auf diese Weise konnten diejenigen Lacksysteme ausgewählt und optimiert werden, die den angestrebten haptischen Merkmalen am besten entsprachen.“

Rohstoffscreening

Vorangegangen war eine umfangreiche Rohstoffbewertung. Da Haptiklack nicht gleich Haptiklack ist, sind je nach Effekt entweder Bindemittel, Füllstoffe, Wachse oder andere Additive anzupassen. „Der Gesamtcocktail entscheidet, wie sich der Haptiklack anfühlt“, sagt Entwicklungsspezialist Büscher. So kann ein bestimmter Rohstoff, zum Beispiel eine Polyurethanverbindung, Hauptträger der gewünschten haptischen Information sein und sich als Bestandteil der Rezeptur auf einen Hilfsstoff auswirken, der nun ebenfalls angepasst werden muss. Manche Effekte beruhen auf sehr großen Partikeln, wie bei Papertouch-Lacken, und die müssen im passenden Bindemittel gebunden sein, ohne zu scheuern.

Der fertige Lack muss vielen verschiedenen Anforderungen entsprechen: Neben der Lagerstabilität des Lackes soll der Haptikeffekt auf unterschiedlichsten Bedruckstoffen gleichermaßen funktionieren, schließlich verlangt der Markt nach einer Relevanz von Preis und Leistung.

Selbstverständlich darf der Lack die Lebensmittelsicherheit in keiner Weise gefährden, wenn er auf einer Lebensmittelverpackung aufgebracht ist. Lars Hancke versichert: „Die Tief- und Flexodruckfarben der hubergroup, die unter dem Markennamen Gecko auf dem Markt sind, sind automatisch für einen migrationssicheren Lebensmittel-Verpackungsdruck geeignet, dank der strengen hubergroup-internen Anforderungen an die Good Manufacturing Practice. Kein Bestandteil der Druckfarbe oder des Drucklacks kann durch Migration oder ‚invisible set-off‘ oberhalb gesetzlicher Grenzwerte in das verpackte Lebensmittel übergehen.“

Druck- und Verarbeitungsparameter genau prüfen

Wenn die Bestandteile des Rezepts stimmen, kommt die optimale Druckperformance hinzu. Der Lack muss auf der Maschine schließlich gut zu verarbeiten sein. So verlangt ein griffiger Haptik-Effekt nach klebrigen Bestandteilen, dennoch darf der Lack in der Maschine auf keinen Fall verkleben. Ist der Lack ausgewogen rezeptiert, wird er beiden Anforderungen gerecht. Ralf Büscher: „Insofern muss man an mehreren Stellschrauben gleichzeitig drehen, bis am Ende ein passender Lack herauskommt.“

Deshalb macht der Druckfarbenhersteller genaue Angaben, was die Druckparameter Viskosität, Auftragsmenge und Rasterwalzenkonfiguration angeht. Er empfiehlt, die angegebenen Viskositäten genau einzuhalten, da bereits kleine Abweichungen zu einem signifikant anderen Ergebnis führen können. Zum Teil sind hohe Auftragsmengen an Lack erforderlich, die eine niedrigere Druckgeschwindigkeit nötig machen. Am Beispiel von Papertouch-Lack geben die Erfahrungswerte im Flexodruck einen empfohlenen Auftrag von 20 cm³/m² bei einer Rasterwalze mit 50 l/cm vor, die eine traditionelle Bienenwabenstruktur aufweist. Für den Tiefdruck seien gute Ergebnisse mit einem, wenn möglich autotypisch gelaserten Zylinder mit 40 Linien / 80µm Gravur zu erreichen. Um einen guten Effekt zu erzielen, sollten nicht weniger als 4 g/m² Lack fest aufgebracht werden.

„Einzelne Rezepturbestanteile könnten bei längeren Druckvorgängen möglicherweise zu Ablagerungen führen, das ist in jedem Einzelfall zu prüfen“, rät Lars Hancke. „Ebenso muss der Drucker prüfen, ob die aufgetragenen Schichten die nachfolgenden Bearbeitungsschritte gut durchstehen.“ Beim angeführten Beispiel kann es durch die Härte und Auftragsmenge der für den Papertouch-Effekt notwendigen Partikel bei einer weichen Gegenfolie zu Prägeeffekten kommen, die für das Auge sichtbar sind. Daher müssen sowohl Gestaltung der Verpackung als auch die gewählte Struktur genau bewertet und in einem industriellen Versuch getestet werden. Ebenfalls sollte vor einer industriellen Produktion der Abpackprozess bezüglich eines potentiellen Abriebs bewertet werden. Bereits der Verpackungsdesigner kann eine starke mechanische Beanspruchung, zum Beispiel durch Siegelwerkzeuge oder Transportbänder mit Schlupf, vermeiden, wenn er das Design der Verpackung entsprechend gestaltet. So können Ablagerungen beim Druckvorgang vermieden werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, begleitet ein Techniker der hubergroup bei Neukunden die ersten Druckläufe mit den neuen Haptiklacken.

Lackauftrag im Tiefdruck oder im Flexodruck

Ob der Haptiklack im Flexo- oder im Tiefdruckverfahren aufgebracht wird, hängt von dem gewünschten Ergebnis und den vorgegebenen Möglichkeiten ab. „Manche Verpackungsdrucker drucken auf einer Flexodruckmaschine mit einem anschließenden Tiefdruckwerk, auf der dann der Lack aufgebracht wird“, erläutert Lars Hancke. Tiefdruckzylinder eignen sich hervorragend für die großvolumigen Lacke, da sie einen deutlich größeren Auftrag ermöglichen. Für die im Verpackungsdruck oft hohen Auflagen lohnt sich die Gravur eines Tiefdruckzylinders auf jeden Fall, er kann auch bei einer Wiederholungsauflage erneut eingesetzt werden.

Drei Entwicklungsebenen für neue Haptiklacke

Die Entwicklung eines neuen Haptiklacks braucht Zeit. Die richtige Rohstoffauswahl und -kombination stehen am Anfang der Neuentwicklung. Hier arbeitet die hubergroup eng mit ihren Rohstoffzulieferern zusammen und vertraut auf deren Expertise, die richtigen Rohstoffe anzubieten, mit denen sich bestimmte Effekte erzeugen lassen.

Um in der nächsten Stufe die optimale Rezeptur zu definieren, greift der Druckfarbenhersteller auf die eigene Formulierungskompetenz zurück. Die erstellte Toolbox, in der die Effekte verschiedener Rohstoffe charakterisiert und eingeordnet wurden, war im Fall der neuen Haptiken Leder, Sand, Textil, Samt und Holz der richtige Weg.

Die letzte Stufe bilden die Anwendungsparameter für den Druck. Entsprechend der Bindemittelmatrix und der Rohstoffkombination werden nach zahlreichen Testdrucken Angaben für Viskosität und Auftragsgewicht gemacht, die zu einem optimalen Druckergebnis führen. [6366]