Peter Daetwyler hat die Daetwyler Group in der zweiten Generation jahrzehntelang mit großem Erfolg geführt. Seit einigen Jahren leitet sein Sohn Ralph die Geschäfte. Zu den vier Divisionen der Daetwyler Gruppe gehört auch der Rakelhersteller Daetwyler SwissTec. Über die bewegende Geschichte von Daetwyler sprach die Redaktion von Flexo+Tief-Druck mit Peter und Ralph Daetwyler.
Was sind die Gründe für den anhaltenden Erfolg von Daetwyler?
Peter Daetwyler: Wir sind zwar als Unternehmen seit dem Gründerjahr 1943 gewachsen und haben Firmen und Know-how dazugewonnen, blieben aber stets inhabergeführt und in schlanker Struktur organisiert. Ein Beweis dieser Familientradition – und ein schönes Gefühl für mich persönlich – ist die heutige Leitung der Daetwyler Gruppe durch meinen Sohn Ralph in der dritten Generation. Aber in einer so langen Zeit gab es natürlich auch Krisen und gravierende Umwälzungen.
Ralph Daetwyler: Es war schon immer der Anspruch von Daetwyler, innovative Produkte und Leistungen mit Schweizer Charakter weltweit anzubieten: raffiniert entwickelt, mit hoher Präzision umgesetzt und mit kundenorientiertem Service vertrieben.
Schildern Sie bitte die Anfänge des Unternehmens Daetwyler.
Peter Daetwyler: Schuld war der „Flugvirus“, mit dem mein Vater Max Dätwyler infiziert wurde und den er an mich und meine Söhne weitervererbt hat. Er erwarb zuerst das Segelflug-Abzeichen im August 1941, dem das entsprechende Äquivalent für den Motorflug 1946 folgte. Mit seiner Leidenschaft für das Fliegen fokussierte er sich mit seiner gleichnamigen Firma immer mehr auf den Unterhalt und die Revidierung von Kleinflugzeugen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entzogen die siegreichen alliierten Mächte dem deutschen Staat die Lufthoheit und sorgten damit in ganz Deutschland für ein Verbot jeglicher Tätigkeit durch deutsche Firmen. Auch die «Lufthansa» durfte beispielsweise nicht mehr betrieben werden. Diese Einschränkung bot ausländischen Unternehmern wie Max Dätwyler die große Chance, in den Markt rund um die Fliegerei in Deutschland einzusteigen.
Mein Vater verlegte im Jahr 1951 seine Firma von Dietikon nach Bleienbach, wo die Daetwyler Group noch heute ihren Firmensitz hat. Unter anderem ließen sich durch die Firmenverlagerung die aufwendigen Transportwege für die zu revidierenden Flugzeuge vermeiden. 1956 wurde dann die Max Dätwyler + Co. in Bleienbach gegründet, deren hauptsächliche Zielvorgabe darin bestand, Teile für die zivile und militärische Luftfahrt zu entwickeln und herzustellen.
Ralph Daetwyler: Später wurden auch die legendären Flugzeuge des Typs „Piper Cub“ und „Super Cub“ in Bleienbach in Serie revidiert. Noch heute sind diese Flugzeuge als „Däti-Piper“ weithin bekannt und äußerst beliebt. Darüber hinaus wurde auch das einsitzige Schleppflugzeug „MDC Trailer“ in Bleienbach aus einem „Super Cub“ entwickelt. Dieser Flugzeugtyp eignete sich optimal zum Hochziehen von Segelflugzeugen. Anschließend jahrelang bei der Segelfluggruppe Oberaargau im Einsatz, konnte der „MDC Trailer“ sogar die meisten Starts und Landungen in der Schweiz verzeichnen.
Inwiefern hat die sogenannte „Mirage-Affäre“ in den 1960er-Jahren das Unternehmen Daetwyler einschneidend verändert?
Peter Daetwyler: Das Jahr 1961 war einschneidend für die Firmengeschichte. In diesem Jahr genehmigte das Schweizer Parlament ein Budget von 870 Millionen Schweizer Franken für die Anschaffung von 100 französischen „Mirage“-Kampfflugzeugen.
Rund 3200 Einzelteile, die in jedem der bestellten Flugzeuge eingebaut wurden, stammten von Daetwyler. Viele davon waren spezielle Entwicklungen, die von Grund auf konzipiert und im Thermo-Pressverfahren in die richtige Form gebracht wurden. Dabei war von Beginn des Auftrags an klar, dass sämtliche Teile laufend oder gar im Voraus hergestellt werden mussten, damit der Zeitplan eingehalten werden konnte.
Doch im Verlauf der Zeit stiegen die Kosten für das Großprojekt rasant an und die Mehrkosten bewegten sich im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Die Konsequenz daraus war, dass die Hälfte der bestellten Flugzeuge storniert wurde. Das war für uns zunächst ein großer Schock und man wusste von einem Tag auf den anderen nicht mehr weiter. Viele Flugzeugteile waren bereits vorfabriziert, das Material bestellt, verarbeitet oder auf Lager gelegt. Die Vorarbeiten waren geleistet und dann dies: kein Bedarf mehr, kein Budget.
Das Ende des Mirage-Auftrags läutete bei Daetwyler die neue Ära der Tiefdruck-Formenherstellung ein, die uns neue Chancen in einer neuen Branche eröffnete. Hierbei profitierten wir sehr stark von unseren Erfahrungen in der präzisen Produktion, Bearbeitung und Beschichtung von Werkstoffen und Komponenten aus dem Flugzeugbau.
Wie kamen Sie auf den Gedanken, in die Herstellung von Tiefdruckformen als neues Geschäftsfeld einzusteigen?
Ralph Daetwyler: Der damalige Ätzchef der Buchdruckerei Ringier fragte bei uns an, ob wir für ihn eine Ätzmaschine für die Herstellung von Tiefdruckzylindern bauen könnten. Unter dem Namen Gravomaster produzierten wir die erste, von uns entwickelte Ätzmaschine. Mit der Contromat Gravomaster folgte schon bald die vollautomatische Variante. Durch diese Entwicklung ließ sich der bislang mit vielen Unwägbarkeiten behaftete Ätzprozess sehr viel stabiler und standardisierter ausführen. Für den Prozess in der Tiefdruckformherstellung wurden im Laufe der Zeit weitere Maschinen entwickelt und auf den Markt gebracht. So wurde mit dem Devlomaster die Gelatineschicht auf dem Zylinder entwickelt, der Vacuumaster wurde für die Rasterbelichtung eingesetzt und der Corremaster diente zur Feinabstimmung der Tiefdruckform.
Ein Meilenstein in der Firmengeschichte von Daetwyler war die Erfindung der Lamellenrakel vor mehr als 40 Jahren. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Peter Daetwyler: Seit mehr als 40 Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Entwicklung und Fertigung von Rakeln. Mit diesen Produkten werden nicht nur unterschiedlichste Anwendungen im Flexo- und Tiefdruck bedient, sondern auch Marktbereiche wie die gedruckte Elektronik oder die Beschichtungsindustrie.
Früher schliffen die Tiefdrucker ihre Rakel selber. Aufgrund der geringen Präzision führte das zu Tonwertschwankungen, weil sich durch den allmählichen Verschleiß die Rakelkontaktfläche und im Zuge dessen auch der gedruckte Farbton permanent änderte. Gemeinsam mit Hans Burgener, damals Mitarbeiter der Schweizer Firma Ringier in Zofingen, erkannten wir das Problem und entwickelten zusammen die Lamellenrakel.
Bei diesem speziellen Rakeltyp bleibt die Kontaktzone während ihrer gesamten Lebensdauer konstant, was im Druck zu stabilen Tonwerten führt. Da diese Rakel weniger Anpressdruck benötigt, ist auch der Zylinderverschleiß geringer. Das gewährleistet eine gleichbleibende Druckqualität über die gesamte Auflage. Die Entwicklung der ersten beschichteten Rakel und die Einführung des MDC Longlife im Jahr 1991 waren weitere herausragende Meilensteine.
Welche Vision verfolgte Ihr Vater bzw. Großvater mit der Erfindung des Polishmasters?
Ralph Daetwyler: Im Jahr 1974 wurde der Polishmaster der Öffentlichkeit vorgestellt. In der Tiefdruckformherstellung kam diese Technologie einer Revolution gleich und noch heute schwören viele Fachleute auf diese Maschine, da sie dem Tiefdruckzylinder eine perfekte Geometrie verleiht.
Mit dem Polishmaster wollte man die Leistungsfähigkeit des Tiefdrucks deutlich erhöhen und gleich gute Resultate erzielen. Oberflächenrauheiten im Micron-Bereich mussten konstant erreicht werden, um ein Tonen der nichtdruckenden Bereiche zu vermeiden. Die hierfür benötigte hohe Fertigungspräzision ließ sich jedoch mit herkömmlichen Maschinen wie Drehbank und Schleifmaschine nicht zufriedenstellend erreichen. Zusätzlich wurden mit der neuen Technologie der Diamantwerkzeuge hohe Schnittgeschwindigkeiten benötigt. Die präzise Fertigung war jedoch mit unwuchtigen Zylindern nicht möglich.
Mit der Vision von Max Dätwyler konnte dieses Problem gelöst werden: Dadurch, dass die Schnittgeschwindigkeit des Diamantwerkezugs erhöht werden musste, wurde das Bearbeitungsverfahren auf den Kopf gestellt. Das Werkzeug, welches das Werkstück bearbeitet, drehte sich schnell und nicht das Werkstück selber – eine Art «Drehfräsen».
Mit der Entwicklung des „Direct Laser Systems“ (DLS) leistete Daetwyler auch Pionierarbeit in Sachen Direktlaserung von Tiefdruckformen. Können Sie uns das näher erläutern?
Ralph Daetwyler: Ja das stimmt. Ab dem Jahr 1991 wurden bei Daetwyler bis zu zehn der kompetentesten Laserphysiker verpflichtet, um die Vision eines neuartigen Lasers für die Direktlaserung von Tiefdruckzylindern zu realisieren.
Dabei war das Potenzial der Lasergravur unbestritten: Konnten damals mit der elektromechanischen Gravur nur bis zu 5000 Näpfchen pro Sekunde in die Kupferoberfläche eines Tiefdruckzylinders geschnitten werden, lassen sich mit einem Laser bis zu 140.000 Näpfchen pro Sekunde realisieren. Fraglos ein gewichtiger Fortschritt, da insbesondere auch die Qualität einem optimalen rein tiefenvariablen Näpfchen entspricht, wie bei den früher geätzten Näpfchen.
Aufgrund der geringen Laserleistung war man damals nicht in der Lage, brauchbare Näpfchen in die Kupferoberflächen zu lasern. Kupfer absorbiert zu viel Wärme und schmilzt, so dass Zink als Ersatz und optimales Material eingesetzt wurde. Mit der heutigen Lasergeneration ist die Direktgravur in Kupfer allerdings möglich.
Mit Ihren zahlreichen Innovationen haben Sie in der Tiefdruckformherstellung Pionierarbeit geleistet und Zeichen gesetzt. Dennoch haben Sie 2009 entschieden, das Engagement im Maschinen- und Anlagenbau für die Tiefdruckzylinderproduktion einzustellen. Was waren die Gründe dafür?
Peter Daetwyler: Weltweit waren Kaspar Walter und Daetwyler die einzigen Anbieter, die das komplette Maschinenspektrum für die Herstellung von Tiefdruckformen permanent weiterentwickelten. Um jedoch die Ressourcen für die immer komplexeren und auch kostenintensiveren Entwicklungen in diesem begrenzten Markt zu optimieren, entschieden wir uns zur Zusammenarbeit. Kaspar Walter und Daetwyler vereinten ihr Maschinenprogramm und schlossen sich als Heliograph Holding GmbH zusammen. Im Jahr 2014 entschied sich die Heliograph Holding, die restlichen Anteile zu übernehmen.
Über sieben Jahrzehnte fanden bei Daetwyler immer wieder tiefgreifende Umwälzungen statt und man hat sich immer wieder neu erfunden. Wie ist Daetwyler heute als Unternehmen aufgestellt?
Ralph Daetwyler: Heute besteht die Daetwyler Group aus vier Divisionen. Die ersten beiden sind bekannte und etablierte Namen in der Druckbranche. So ist SwissTec eindeutiger Weltmarktführer in der Rakelherstellung und Rotoflex ein bekannter Schweizer Druckfarbenhersteller. Die Division Faessler setzt mit Zahnradhonmaschinen neue Maßstäbe in der Zahnradwelt und Industries fertigt Maschinenbaukomponenten in höchster Präzision in Estland und in der Schweiz.
Daetwyler SwissTec beschäftigt sich intensiv mit der Entwicklung und Fertigung von Rakeln für die unterschiedlichsten Bereiche. Die Druck- und Beschichtungsindustrien bilden dabei die Schwerpunkte unserer Aktivitäten, aber auch andere Branchen wie beispielsweise die Papierherstellung oder die gedruckte Elektronik gewinnen für uns zunehmend an Bedeutung. Es ist dabei unser Anspruch, durch eine kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit nicht nur den hohen Qualitätsstandard zu sichern, sondern auch unsere führende Marktstellung weiter auszubauen. Deshalb gründeten wir im Jahr 2012 Daetwyler IBO Tec, ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit Sitz in Lübeck. Außerdem haben wir schon früh damit begonnen, eigene Niederlassungen zu gründen, so dass wir heute über ein engmaschiges, internationales Netzwerk verfügen.
Wir betreiben internationale Fertigungsstätten, die alle nach den Qualitätsnormen der Daetwyler SwissTec produzieren. Durch unser dichtes weltweites Vertriebsnetz sind die Lieferwege relativ kurz, so dass wir schnell auf Kundenwünsche reagieren können.
Zur Unterstützung der Kunden vor Ort verfügen wir außerdem weltweit über 40 Drucktechniker. Dabei gilt es, vom und mit dem Kunden zu lernen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Produktentwicklung einzubringen.
Unsere Drucktechniker sind täglich bei unseren Kunden vor Ort. Ihr Rat ist gefragt, wenn es um die Behebung drucktechnischer Probleme oder die optimale Rakeleinstellung an der Druckmaschine geht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Entwicklung der Rakelprodukte mit ein. Deshalb hat die Nähe bzw. der direkte Draht zum Kunden in unserer Unternehmensstrategie einen sehr hohen Stellenwert.
Darüber hinaus sind regelmäßige Schulungen und eine intensive Kommunikation mit den Vertriebspartnern für uns entscheidende Punkte für den Unternehmenserfolg.
Welche Absicht verfolgten Sie mit dem Kauf des Schweizer Druckfarbenherstellers Rotoflex?
Ralph Daetwyler: Im Mai 2017 übernahm Daetwyler die Mehrheitsanteile der Rotoflex-Gruppe. Vor allem profitieren beide Unternehmen von den globalen Vertriebs- und Absatzkanälen des jeweils anderen. Die Daetwyler Group verfügt durch ihre weltweiten Vertriebs- und Produktionsstätten über ein engmaschiges Netzwerk.
Welches Ziel verfolgen Sie mit dieser Strategie?
Ralph Daetwyler: Unser Ziel ist es, Flexo- und Tiefdrucker bei ihrer täglichen Arbeit optimal zu unterstützen. Das möchten wir realisieren, indem wir unsere Kunden mit hochqualitativen Produkten beliefern und sie zudem bei der Lösung der stetig steigenden Druckanforderungen mit unseren Drucktechnikern vor Ort oder in Seminaren unterstützen. Unser globales Vertriebsnetz bildet dafür eine ausgezeichnete Ausgangsbasis. [6950]
Vielen Dank für das Interview.