Simulationsmodelle ermöglichen effizientere Entwicklungs- und Planungsphasen
Digitale Zwillinge – Was sind das?
von Ansgar Wessendorf,
Die Digitalisierung der Produktionsprozesse schreitet stetig voran. Simulationswerkzeuge wie der Digital Twin nehmen dabei eine entscheidende Rolle ein. Als wesentlicher Bestandteil der Smart Factory und des Internet-of-Things (IoT) kommen sie in der Industrie immer mehr zu Einsatz.
Digitale Zwillinge ermöglichen eine detailgetreue 3D-Abbildung eines realen Objekts wie Roboter oder Maschinen. Mithilfe von realitätsnahen Simulationen können Technologien und ganze Prozesse getestet, überprüft und optimiert werden – und dies deutlich schneller und kostengünstiger als in der physischen Welt. Die Simulationsmodelle ermöglichen effizientere Entwicklungs- und Planungsphasen sowie eine schnellere Inbetriebnahme. Ebenso lassen sich die Modelle einsetzen, um einen reibungslosen Betrieb von Anlagen sicherzustellen. Industrieunternehmen, die bereits jetzt auf diese Technologien setzen, sichern sich somit entscheidende Wettbewerbsvorteile.
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Die Revolution hat bereits begonnen
In den nächsten Jahren sehen Marktforschungsunternehmen ein großes Potenzial für Projekte mit vernetzten Geräten, Maschinen und Anlagen. 48 Prozent der Unternehmen, die bereits IoT-Anwendungen nutzen, gaben bei einer Umfrage des IT-Analyse- und Marktforschungsinstitut Gartner aus dem Jahr 2018 an, bereits digitale Zwillinge einzusetzen, oder dies fest planten.
Ein starkes Wachstum sagt auch TechSci Research dem Markt für digitale Zwillinge voraus: Bis 2020 soll dieser Kategorie einen Wert von 13,9 Milliarden Dollar aufweisen. Zu führenden Mitspielern in diesem Segment zählen Unternehmen wie General Electric, IBM, Microsoft, Oracle, PTC, Ansys, Dassault Systèmes, Siemens, Bosch Software Innovation und SAP, deren Lösungen auch bei vielen Ausstellern auf der FachPack eine bedeutende Rolle spielen werden.
Digitale Zwillinge im Einsatz über die gesamte Lebensdauer
Im Maschinen- und Anlagenbau werden digitale Zwillinge zukünftig für die gesamte Lebensdauer eingesetzt – dies beginnt in der Entwicklungsphase und reicht bis zum laufenden Betrieb sowie zur Anpassung der Maschinen an neue Anforderungen. Schon während der Design- und Entwicklungsphase lassen sich die Eigenschaften und Funktionen des Produkts simulieren und optimieren. Denn bei der Programmierung digitaler Zwillinge im Maschinen- und Anlagenbau (z.B. im Flexo- und Tiefdruck) werden alle relevanten Komponenten in einer Software erfasst. Nicht nur einzelne Maschinen können simuliert werden, auch kann der digitale Zwilling ganze Produktionsprozesse inklusive der Steuerungen, Maschinen und Anlagen oder sogar ganze Smart-Factories abbilden und virtuell in Betrieb nehmen. Durch die vollfunktionsfähige Simulation auf einer Softwareplattform sparen Unternehmen Zeit und Kosten, da Konstruktionsfehler schon erkannt werden, bevor ein realer Prototyp bzw. die Maschine gebaut wird.
Optimierte Wartung und Instandhaltung
Der digitale Zwilling bietet auch neue Möglichkeiten der Wartung und der Instandhaltung – und leistet damit einen entscheidenden Beitrag dafür, die Maschinen- und Anlageneffizienz kontinuierlich auf einem optimalen Niveau sicherzustellen. Stillstandzeiten und der damit verbundene Produktionsausfall kosten Geld. Deshalb müssen Reparaturmaßnahmen schnell erfolgen. Mit dem digitalen Zwilling können die Daten verschlüsselt in einer Cloud angebunden werden, sodass beispielweise Servicetechniker auf Maschineninformationen einfach zugreifen und per Fernwartung Probleme erkennen und lösen können. Mit dem digitalen Abbild können dabei sämtliche Prozesse am Computer, einem Tablet oder sogar auf Virtual-Reality-Brillen dargestellt werden.
Anhand der angezeigten Informationen der Maschine erkennt der Techniker sofort, welches Teil den Defekt verursacht hat, kann direkt eine Lösung vornehmen oder ein entsprechendes Ersatzteil versenden. Somit ist im besten Fall kein Wartungseinsatz vor Ort nötig. Auch Upgrades und Umrüstungen können simuliert werden, ohne den laufenden Betrieb zu stören.
Übergreifende Zusammenarbeit ist gefordert
Voraussetzungen der absoluten Vernetzung für eine optimale Nutzung von Digital Twins sind jedoch standardisierte Schnittstellen, Datenformate und Infrastrukturen. Als wesentliche Faktoren nennt Deloitte in diesem Zusammenhang Datencontainer sowie eine übergreifende Datenmanagement-Ebene, die als Supra-Plattform fungiert und den End-to-End-Datenaustausch ermöglichen solle. Die Marktforscher sehen die Grundvoraussetzung für die Implementierung von digitalen Zwillingen, dass alle beteiligten Akteure bereit sind, ihre Datensilos dieser übergeordneten Ebene unterzuordnen. Dies sei gleichzeitig auch die größte Hürde und könne nur überwunden werden, wenn ein möglichst neutraler Partner das Datenmanagement leitet und koordiniert. Das erfordert Kompromisse bei den Anbietern und eine breite Akzeptanz aller Akteure.
Diese Anstrengungen werden sich für alle Industrieunternehmen auszahlen: Die permanente Überwachung der Maschinen ermöglicht es, optimale Betriebsparameter einzuhalten und sorgt damit für eine höhere Effizienz. Außerdem resultiert die umfassende und kontinuierliche Qualitätssicherung in einer höheren Produktqualität. Als weiterer Vorteil wird die Verringerung von Risiken mithilfe präventiver Wartung genannt. Die hohe Datenverfügbarkeit gekoppelt mit Analysefunktionen unterstützt die Unternehmen dabei, Wachstumspotenziale zu erkennen und für sich zu nutzen. Anwender können flexibler reagieren und für eine höhere Transparenz ihrer Produktion sorgen. [6661]