Die Wahl zwischen Moiré oder Farbdrift als Entscheidung zwischen zwei Übeln
Die Winkelung von AM-Rastern
von Ansgar Wessendorf,
Die Winkelung amplitudenmodulierter Raster ist ein durchaus aktuelles Druckproblem. Dennoch findet es kaum das Interesse der Fachwelt und die aktuell verfügbaren Lösungen sind alles andere als befriedigend. Jedoch könnte dieses Problem durch künftige Entwicklungen unversehens in den Mittelpunkt des Interesses rücken.
von Prof. Dr. Martin Dreher
Das Dilemma des autotypischen Mehrfarbendrucks
Die meisten grafischen Druckverfahren sind autotypisch. Eine Ausnahme ist lediglich der Tiefdruck, aber auch dieser wird heute üblicherweise halbautotypisch betrieben und unterliegt damit größtenteils den nachfolgend geschilderten technischen Bedingungen.
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Autotypische Druckverfahren können grundsätzlich nur zwei Färbungszustände differenzieren: Färbung einer Bildstelle oder Farbfreiheit (ein/aus, 0/1, ja/nein, binär). Für die Darstellung von Halbtönen zur Wiedergabe fotografischer Bilder wird auf die Technik der sogenannten Rasterung zurückgegriffen. Vergleichbar mit der elektronischen Bilderfassung in Pixeln werden hierbei die Druckflächen in kleine Teilbereiche aufgeteilt, von denen jede einen ihrem Tonwert entsprechenden Grad an Bedeckung mit Druckfarbe erhält. Dabei gilt: Je heller der darzustellende Bildtonwert, desto geringer der Grad an Bedeckung mit Druckfarbe (Abbildung 1).
Bestimmt wird dieser Grad durch die Platzierung einzelner, gleich großer und vermeintlich zufällig verteilter Druckpunkte innerhalb dieser Teildruckfläche. Dieses Verfahren wird als frequenzmodulierte Rasterung (FM) bezeichnet. Der Bedeckungsgrad kann aber auch durch eine einzelne, variabel große Farbfläche in der betreffenden Teildruckfläche erreicht werden, was als amplitudenmodulierte Rasterung (AM) bezeichnet wird. Die variabel großen Druckfarbflächen werden Rasterpunkte genannt.
Frequenzmodulierte Rasterungen bieten im Sinne des vorliegenden Problems viele Vorteile. In der Praxis sind sie allerdings mit einigen gravierenden Nachteilen behaftet und konnten sich daher bislang nicht auf breiter Front durchsetzen. Sie werden vielmehr für besondere Effekte eingesetzt und benötigen einen höheren Grad an Prozesskontrolle und Sorgfalt. Die mit diesem Verfahren erreichbare Druckqualität ist unter anderem vom Auftreten einer visuell empfundenen Körnigkeit bzw. „Unruhe“ bedroht.
Aus diesen und weiteren Gründen dominieren die amplitudenmodulierten Raster den aktuellen Markt. Sie stellen die gewünschte „Glätte“ gerasterter Tonflächen sicher und werden daher von den Auftraggebern bevorzugt.
AM-Rasterungen bedeuten die Anordnung der Rasterpunkte in einem regelmäßigen, symmetrischen Gitter. Im Mehrfarbendruck bringt dies die Notwendigkeit mit sich, die Rastergitter der Teildruckfarben relativ zueinander zu winkeln, was als Rasterwinkelung bezeichnet wird. Die Überlagerung regelmäßiger Strukturen würde ansonsten zu Interferenzen führen, die als Farbdrift und/oder Moiré bekannt sind.
In der Praxis führt dies zu einem stark wechselnden farblichen Eindruck bei in unmittelbarer Folge gefertigten Drucken. Dies wird dadurch verursacht, dass sich beim Aufeinandertreffen der Teildruckfarben auf dem Bedruckstoff die entsprechenden Rasterpunkte je nach Bildtonwert nur teilweise überlappen. Verändert sich dieser Überlappungsgrad durch unvermeidliche Passerschwankungen nur um ein kleines Maß, so verändert dies die Lichtremission und damit auch den Farbton. Farbdrift kann daher als Interferenz oder Moiré mit sehr großer Periode verstanden werden, so dass die Interferenz-typische gegenseitige Verstärkung bzw. Abschwächung nicht vielfach auftritt, sondern praktisch nur ein einziges Mal.
Wird als Gegenmaßnahme zunächst eine kleine gegenseitige Verdrehung zweier Rastergitter vorgenommen, so verkleinert sich die Interferenz-Periode zunächst immer mehr, erreicht schnell den wahrnehmbaren und damit störenden Größenordnungsbereich von einigen Millimetern und durchläuft zwischen 30° und 60° gegenseitiger Drehung ein Minimum an Störung des visuellen Eindrucks. Danach nimmt das Wachstum der Interferenz wieder zu und wirkt erneut störend. Unter der Prämisse, möglichst viele Teildruckfarben zu winkeln, erklärt sich die Wahl der heute im Markt bevorzugten Rasterwinkelung von 30°.
Wahrnehmbare Moiré-Erscheinungen müssen vermieden werden, da sie die Anmutung gedruckter Bilder erheblich stören. Die Drehung der Rastergitter als Gegenmaßnahme ist jedoch beim aktuellen Stand der Technik nur bedingt möglich. Dies erklärt sich aus der Notwendigkeit, die Rastergitter gegenseitig um je 30° zu verdrehen, wofür jedoch nur drei Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Wegen der symmetrischen Ausprägung des Rastergitters ist das Gesamtspektrum der Winkelungen auf 90° begrenzt, was bei 30° Drehung pro Teildruckfarbe lediglich drei „saubere“ Winkelungen zulässt. Der übliche Mehrfarbendruck verwendet jedoch mit den Teildruckfarben Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz (CMYK) vier verschiedene Teildruckfarben. Es wurde bereits hinlänglich versucht, den für die Rasterwinkelung verfügbaren Bereich beispielsweise durch elliptische Formen der Rasterpunkte zu erweitern, da sich durch dieses Verziehen die gegenseitige Überlappung verändert. Dies verringert zwar graduell die Tendenz zum Farbdrift, löst jedoch nicht das Problem mangelnder Möglichkeiten bei der Rasterwinkelung.
Feste Farbpalette – Rasterwinkelung
In der aktuellen Druckpraxis wird dieses Problem dadurch „gelöst“, dass die helle und kontrastarme Teildruckfarbe Gelb mit dem halben Maß einer „sauberen“ Winkeldrehung zwischen zwei der anderen Teildruckfarben gelegt wird. Die Winkeldrehung von Gelb gegenüber den „benachbarten“ Farben beträgt also nur 15°, was unweigerlich ein Moiré erzeugt (Abbildung 2 und 3).
Dieses ist jedoch üblicherweise derart schwach ausgeprägt, dass es vom Betrachter gedruckter fotografischer Bilder (auch wegen der darin enthaltenen Modulation und Vielfalt an Farbtönen) meist nicht als störend empfunden wird. Insbesondere die Mischfarbtöne aus Gelb und einer der beiden „benachbarten“ Teildruckfarben werden jedoch durch das schwach erkennbare Moiré bereits leicht beeinträchtigt.
Der durch „Gelb-Moiré“ verursachte Qualitätsmangel würde beispielsweise im Rahmen einer aktuell viel diskutierten Variante zur Kostensenkung im Verpackungsdruck – dem Einsatz einer festen, erweiterten Palette von sieben Prozessfarben – noch weiter akzentuiert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass dieses Variante am Gelb-Moiré scheitern bzw. sich ihr Potenzial zur Kostenersparnis erheblich verringern wird. Das Drucken mit sieben Prozessfarben, die alle eine amplitudenmodulierte Rasterung aufweisen, gelingt angesichts der geschilderten Einschränkungen nur unter einer ganz bestimmten Voraussetzung.
Dazu müssen Rasterwinkelungen sozusagen doppelt belegt werden. Die jeweiligen Komplementärfarben werden dabei auf die gleiche Rasterwinkelung gelegt. Solche Komplementärfarben-Paare sind Magenta (M) und Grün (G), Cyan (C) und Rot (R) sowie Gelb (Y) und Violettblau (B). Unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass an keiner Stelle des Druckmotivs beide Komplementärfarben gleichzeitig präsent sein dürfen, was in den fotografischen Bildern durch den sogenannten Unbuntaufbau sichergestellt wird, lassen sich sowohl Moiré als auch Farbdrift theoretisch vermeiden.
Bei der Umsetzung in die Praxis hat diese Theorie jedoch die Schwachstelle des „Gelb-Moiré“ bzw. des „Violettblau-Moiré“. Während man das durch Gelb mit seinen „Winkelnachbarn“ verursachte Moiré noch kaum sehen kann (Abbildung 2), ist es beim Auftreten des Violettblau auf der gleichen Winkelung wie Gelb sehr deutlich sichtbar (Abbildung 3). Zur Behebung dieses Problems kann eventuell selektiv in die Grafikdatei eingegriffen werden, um objektorientiert die entsprechenden funktionellen Winkelungskombinationen zuzuweisen. Dies wäre jedoch insbesondere bei fotografischen Bildern mit dem manuellen Zeichnen von Masken verbunden und stellt damit einen unerwünschten zusätzlichen Aufwand dar. Eine Automatisierung erscheint nicht möglich.
Gibt es eine „echte“ Lösung?
Die beschriebene „optische Vertuschung“ des Problems mangelnder Möglichkeiten der Rasterwinkelung durch Akzeptanz des Gelb-Moiré wird spätestens beim Versuch scheitern, mit Prozessfarben zu drucken, die mehr als drei kontrastreiche Teildruckfarben umfassen. Das wird vielleicht beim Sieben-Farben-Druck der Fall sein, kann aber auch bei der Verwendung gerasterter Sonderfarben zur Herausforderung werden. In diesem Zusammenhang ist die Vermutung plausibel, das heutige Gelb-Moiré sei für einige vermeintlich unerklärliche Phänomene im farblichen Abgleich bspw. zwischen Proof und Druck verantwortlich.
Wie bereits angedeutet, ist die Verwendung frequenzmodulierter Rasterungen keine „echte“ Lösung für das vorliegende Problem. Da diese keine regelmäßigen Strukturen aufweisen, kann auch kein Moiré entstehen. Dadurch wird es möglich, an jeder Druckbildstelle mehr als drei Teildruckfarben gleichzeitig zu „erlauben“. Da alle sieben (oder mehr) Teildruckfarben wirklich unabhängig voneinander gerastert werden können, ist der „FM-7-Farbendruck“ nicht mehr an einen Unbuntaufbau gebunden, der seinerseits gewisse Notwendigkeiten mit sich bringt und daher nicht für alle Anwendungen geeignet ist. Dies ändert jedoch nichts an den beschriebenen Nachteilen der FM-Raster, weshalb diese nicht als Universallösung gelten können.
Ein kleiner drucktechnischer „Unfall“ brachte den Autor dieses Artikels auf die Spur einer weiteren potenziellen Lösungsmöglichkeit für das genannte Dilemma. In einem studentischen Projekt war aufgrund eines Interpretationsfehlers die Situation entstanden, dass die Farbauszüge für Cyan und des Gelb die gleiche Rasterwinkelung (bei gleicher Rasterfeinheit) erhalten hatten. Dies hatte überraschenderweise keinerlei negative Auswirkungen auf das Druckbild, wurde aber durch einen glücklichen Zufall trotzdem entdeckt. Daraus wurde die Idee abgeleitet, zwei der Teildruckfarben aus dem Vierfarbsatz auf dieselbe Winkelung zu legen. Da jedoch dabei mit Farbdrift zu rechnen war, musste diese Vorgehensweise in einem weiteren Projekt eingehend untersucht werden, um es anschließend als „echte“ Lösung zu präsentieren.
Abbildung 4 zeigt ein Druckergebnis aus dieser Verifizierung. Es wurden dabei bewusst wechselweise verschiedene Teildruckfarben auf gleiche Winkelungen gelegt, wobei je ein 50%-iger und ein 25%-iger Rasterton als Anschauungsmaterial zur Verfügung standen. Besonders aufschlussreich ist hierbei der jeweilige Vergleich in den Richtungen „Nord/West“ gegen „Süd/Ost“. Diese sich links und rechts der von unten links nach oben rechts verlaufenden Diagonale befindlichen Farbfelder haben jeweils die gleiche Zusammensetzung, jedoch einmal mit und einmal ohne die übliche Rasterwinkelung. Das obere Quadrat enthält alle vier Teildruckfarben CMYK. Die unterhalb der besagten Diagonale liegenden Farbflächen wirken deutlich bläulicher als ihre Gegenüber.
Technisch erklärt sich dies dadurch, dass beim kompletten Überdecken aller Rasterpunkte durch die der jeweils nächsten Teildruckfarbe die Eigenheiten der Farbannahme und Transparenz voll durchschlagen. Ein Wegfall jeglicher Rasterwinkelung, also die Drehung aller Teildruckfarben auf denselben Winkel, kommt wegen des starken Blaustichs offensichtlich nicht in Frage. Die Kombination von Cyan und Magenta auf der gleichen Winkelung ergibt dagegen einen sehr viel kleineren Farbunterschied entlang der Diagonale und könnte daher als Verfahren in Betracht gezogen werden. Ein Vergleich der weiteren Quadrate zeigt, dass das dritte Quadrat (C + Y) und das letzte Quadrat (Y + K) hierbei sogar noch etwas besser abschneiden. Kann daher entweder Cyan und Gelb oder Schwarz und Gelb auf die gleiche Rasterwinkelung gelegt werden? Dies lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse leider noch nicht entscheiden, da bei gleicher Rasterwinkelung zwischen zwei Teildruckfarben ein Farbdrift droht. Daher bedarf es in diesem Bereich noch der Verifizierung durch eine Vielzahl aufeinanderfolgend hergestellter Druckmuster. Diese Untersuchung wurde im DFTA-Technologiezentrum durchgeführt. Sie erbrachte das Ergebnis, dass die Farbdrift unter diesen Umständen tatsächlich störend wirkt und das sich die Druckmuster farblich derart unterscheiden, dass wohl kein Kunde dies hinnehmen würde. Damit musste auch die Idee verworfen werden, wenigstens einige der Teildruckfarben identisch zu winkeln.
Anfang 2018 ergab sich dann aber noch eine weitere Möglichkeit zur Problemlösung und zwar in Form einer Halbtonrasterung, die zuvor im DFTA-Technologiezentrum entwickelt worden war. Der DFTA Screen V6 Penta bestach immer schon durch seine optische Harmonie, erschien wegen seiner eigentümlichen Form und Anordnung der Druckpunkte aber für die Rasterwinkelung nicht in Frage zu kommen. Dabei lag jedoch die traditionelle Denkweise zugrunde, beispielsweise eine Drehung um 30° anzuwenden, was bei dieser Rasterung jedoch erfolglos war. Erst als komplette Vierteldrehungen vorgenommen wurden, stellte sich der Erfolg ein, obwohl dies bei AM-Rastern wegen der überwiegenden Punktsymmetrie ansonsten nicht sinnvoll ist. In diesem Fall jedoch führte die verschachtelte Punktanordnung bei jeder Vierteldrehung zu einem neuen Ergebnis.
Im Laufe der weiteren Untersuchungen, die jedoch noch nicht völlig abgeschlossen sind, konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass der Penta-Raster auch bei 90°-Drehungen seine relative Unempfindlichkeit gegen Farbdrift beibehält. Daher ist es durchaus möglich, dass er eine zweite Lösung für das geschilderte Dilemma darstellt – vielleicht sogar die bessere von beiden. Aufgrund seiner zahlreichen Vorteile wurde er inzwischen zum Patent angemeldet.
Resümee
Die aktuelle Praxis der AM-Rasterwinkelung erzeugt Gelb-Moiré, weil eine nicht genügende Anzahl von Winkelungsmöglichkeiten für alle vier Teildruckfarben vorhanden ist. Gelb-Moiré ist möglicherweise bereits heute für verschiedene Schwierigkeiten im Druck verantwortlich, wird aber spätestens dann zum handfesten Problem, wenn mit mehr als vier kontraststarken Teildruckfarben gearbeitet werden muss. Das betrifft den Sieben-Farben-Druck, aber auch Bereiche der heutigen Sonderfarben. Die Verwendung von FM-Rastern als eine Lösung für das Problem mangelnder Winkelungen ist bekannt, konnte sich bisher jedoch wegen bestimmter Nachteile nicht voll durchsetzen. Eine zweite Lösung ergab sich überraschenderweise in Form des DFTA Screen V6 Penta, was aktuell weiter untersucht wird. Die aktuell verfügbare Technik, inklusive Gelb-Moiré, erlaubt nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Moiré oder Farbdrift. Diese unbefriedigende Situation zu überwinden, erscheint im Sinne der Weiterentwicklung aller autotypischen Druckverfahren, von Offset- über den Flexo- bis zum Digitaldruck, als höchst wünschenswert. [5679]