Auch im Verpackungsdruck ist der Digitaldruck mittlerweile angekommen und die Branche muss sich mit den damit verbundenen Konsequenzen auseinandersetzen, auch wenn der aktuelle Marktanteil des Verfahrens noch marginal ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die große mediale Aufmerksamkeit um den Digitaldruck nur ein Hype ist und dessen praktische Möglichkeiten womöglich überschätzt werden. Wo liegen vor diesem Hintergrund die Chancen für den Flexodruck und gibt es Potenziale zur gegenseitigen Ergänzung beider Verfahren?
von Ansgar Wessendorf
Im Verlauf der sehr lebendigen, kontrovers und konstruktiv geführten Diskussionen auf dem DFTA-Fachsymposium „Flexodruck und Digitaldruck: Wettbewerb oder Synergie?“, das im Dezember 2017 in Frankfurt a.M. stattfand, kristallisierten sich die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Informationsbedürfnisse der Verpackungsdrucker heraus. Anzumerken ist, dass die wenigsten der dort repräsentierten Druckbetriebe bereits Erfahrungen mit dem digitalen Verfahren gesammelt haben oder gar schon in diese Technologie investiert haben.
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Junge Technologie mit großem Wachstumspotenzial
Die internationale Druckindustrie profitiert in besonderem Maße von der steigenden Nachfrage nach Verpackungen, was sich auch in einem geschätzten Umsatzvolumen von über EUR 470 Mrd. für den weltweiten Verpackungs- und Etikettendruck niederschlägt. Obwohl aktuell der weltweite Marktanteil digitaler Verfahren im Verpackungsdruck mit etwa 2,5% noch sehr gering ist, sagen Fachleute jährliche Wachstumsraten von mehr als 13% im Laufe der nächsten fünf Jahre voraus.
Was bedeutet dies für den Produktionsalltag der Flexodrucker wie der gesamten Verpackungsdruckbranche? Die Kernfrage, die sich dabei stellt, lautet: „Muss ich überhaupt in den Digitaldruck investieren und welches ist der am besten geeignete Zeitpunkt hierfür?“ In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es zunächst nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob letztendlich in den Flexo- oder Digitaldruck investiert wird.
Wesentlich wichtiger ist es jedoch, inwieweit der jeweilige Verpackungsdrucker eine Vorstellung davon hat, wie die zukünftige Entwicklung und Ausrichtung seines Unternehmens aussehen soll. Daher sollte er sich zuerst ein individuelles Geschäftskonzept entwickeln und die Auswahl der benötigten Drucktechnologie danach ausrichten – und nicht umgekehrt! Darüber hinaus muss in den Druckbetrieben ein Bewusstsein darüber bestehen, inwieweit der Digitaldruck mit seinen Potenzialen geeignet ist, neue Geschäftsfelder zu erschließen bzw. als eine sinnvolle Ergänzung des aktuellen Produktportfolios dienen kann.
Allerdings ist der Digitaldruck eine noch junge Technologie und daher noch immer mit einigen Unwägbarkeiten und Risiken behaftet. Dabei ist der zeitliche und kostenmäßige Aufwand für dessen Integration in den bestehenden Workflow sowie für die Anpassung der Digitaldruckmaschine an die Belange der jeweiligen Verpackungsdruckbetriebe nicht zu unterschätzen. Doch wer diesen nicht ganz einfachen Weg gemeinsam mit dem jeweiligen Hersteller der Digitaldruckmaschine geht, hat große Chancen, einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber seinen „Marktbegleitern“ zu erlangen – zumindest für einen gewissen Zeitraum.
Flexo- und Digitaldruckmaschinen sind räumlich voneinander zu trennen und für den wirtschaftlichen Erfolg ist der Aufbau eigener Vertriebs- und Marketingstrukturen zu empfehlen. Darüber hinaus stellt der Digitaldruck hinsichtlich Handling und Aufbereitung von Auftragsdaten spezifische Anforderungen an die Vorstufe.
Der Digitaldruck entwickelt sich in den einzelnen Bereichen des Verpackungsdrucks durchaus unterschiedlich. Im Etikettendruck ist er bereits ein etabliertes Verfahren und auch im Wellpappendruck nimmt er aktuell Fahrt auf, während er für den Druck flexibler Verpackungen noch keine entsprechende Bedeutung hat.
„Game-Changer Digitaldruck“
„Die Digitalisierung im Verpackungssektor steht noch am Anfang und der Wellpappendruck ist noch immer eine Domäne des Offset- und Flexodrucks“, bestätigt Wolfram Verwüster (Durst Phototechnik Digital Technology GmbH). „Aktuell können wir aber davon ausgehen, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Als Hersteller von Wellpappenverpackungen wird Schumacher Packaging als Firstmover den entscheidenden Impuls geben. Das Projekt ist für uns sicherlich eine große Herausforderung, aber am Ende können alle Beteiligten sicher sein, dass die von Durst entwickelte Digitaldruckmaschine Delta SPC 130 wirklich der Game-Changer ist, den die Verpackungsindustrie erwartet.“
Die Vorteile von EPC nutzen
Hermann Koch (Bobst Bielefeld) und Dr. Dieter Niederstadt (Asahi Photoproducts Europe) thematisierten in ihren Vorträgen die potentiellen Vorteile von Expanded Colour Gamut (ECG) für die Rüstzeitreduzierung und die Prozessstabilität im Flexodruck. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Digitaldruck ausschließlich ECGzum Einsatz kommt.
Bei ECG verbleiben die sieben Farben fix in den jeweiligen Druckwerken, was Waschzeiten vermeidet und den Rasterwalzenwechsel auf ein Minimum reduziert. Die oft sehr zeitraubende Farbabstimmung erfolgt nicht mehr an der Maschine, sondern außerhalb, wodurch sich die Rüstzeiten auf Flexodruckmaschinen um bis zu 50% reduzieren lassen. Beim Druck in einem erweiterten Farbraum werden 95% der Pantone-Farben abgedeckt und die damit verbundenen Reduzierung des Farbverbrauchs verkleinert in der Folge auch den Restfarbenbestand. Darüber hinaus werden weniger Rasterwalzen benötigt.
Die Herausforderungen beim Drucken mit EPC liegen insbesondere in der Drucksteuerung komplexer Motive, der Registergenauigkeit und der konstanten Einhaltung des Profilstandards. Auch kann das EPC-System bei bestimmten Schriftgrößen (kleine Negativschriften) und bei der Sonderfarbendarstellung an Grenzen stoßen.
Integration des Digitalverfahrens im Verpackungsdruck
Auf welche Weise das digitale Farbmanagement den Flexodruck mit Digitaldruck verbindet, erläuterten eindrucksvoll Johannes Betz (GMG GmbH & Co. KG) und Dietmar Fuchs (ColorLogic GmbH) in ihrer gemeinsamen Präsentation. Anhand von Druckmustern veranschaulichten sie, wie ein bislang im Flexodruck ausgeführter Job mit verschiedenen Digitaldruckverfahren produziert wurde, ohne dass dabei erhebliche farbliche Abweichungen auftraten.
Die CMYK-Druckdaten wurden für die Digitaldrucksysteme Xeikon 3500 (tonerbasiert), HP Indigo 20000 (Flüssigtoner) und Durst Rho P10 (Inkjet) so angepasst, dass sie ein bereits gedrucktes Flexodruckmuster (YMCK, 48 L/cm, CI-Press, gestrichenes Papier 85 g/m2 Rasterwalze: 340 L/cm; 4,8 cm3/m2) farblich maximal erreichen.
Diese Farbkonvertierung kann auch automatisch erfolgen. Dies unterstützt nicht nur die Integration des Digitaldrucks in den Verpackungsdruck, sondern erweitert die Möglichkeiten zur Erschließung neuer und innovativer Geschäftsmodelle.
Fazit
Der Digitaldruck im Verpackungsdruck entwickelt sich sowohl sehr dynamisch wie auch sehr schnell. Dennoch ist es nicht einfach zu entscheiden, ob und wann ein Flexodruckbetrieb in dieses Verfahren investieren sollte. Um den günstigsten Zeitpunkt für eine eventuelle Investition nicht zu verpassen ist es jedoch von größter Bedeutung, sich permanent über die aktuellen technischen Entwicklungen und Fortschritte zu informieren. Unabhängig davon, für welches Verfahren letztendlich die Entscheidung fällt, die Kenntnis der verfahrenstechnischen Möglichkeiten sowie die klare Produktausrichtung des jeweiligen Unternehmens sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Zur Unterstützung der Druckereibetriebe auf diesem nicht ganz einfachen Weg der Entscheidungsfindung bietet die DFTA entsprechende Seminare in deren Technologiezentren in Stuttgart und Leipzig an. [3769]
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmalig in der Flexo+Tief-Druck Ausgabe 1-2018.