Was der Flexo- und Tiefdruck vom Offset-Akzidenzdruck lernen kann
Digitales Farbmanagement für papierbasierte Substrate
von Ansgar Wessendorf,
Optische Aufheller ermöglichen die Produktion von hochweißen Papieren und Kartons. Für das digitale Farbmanagement, um z.B. auf einem Proof das spätere Druckergebnis verbindlich zu simulieren, bringt das einige Herausforderungen mit sich. Im Akzidenzdruck sind eine Reihe von Standards und Tools entwickelt worden, deren Anwendung auch im Flexo- und Tiefdruck hilfreich sein kann.
von Jan-Peter Homann
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Optische Aufheller in Papier und Karton transformieren nicht sichtbares UV-Licht in sichtbares Licht. Papiere und Kartons werden damit vom Betrachter in Abhängigkeit zur eingesetzten Lichtquelle visuell als hochweiß wahrgenommen. Dieser Effekt ist stärker, je mehr UV-Anteil die Wellenlänge einer Lichtquelle enthält. Tageslicht enthält z.B. einen relativ hohen UV-Anteil, während dies bei Glühlampenlicht nicht der Fall ist. Bei Leuchtstoffröhren kommt es auf den Typ an.
Vergleicht man einen digitalen Proofdruck mit dem Produktionsdruck, so kann es – je nach Lichtquelle – zu unterschiedlichen starken Abweichungen kommen, wenn der Proofdruck z.B. auf einem Substrat ohne optische Aufheller erstellt wurde und das Papier bzw. der Karton im Auflagendruck diese enthält. Eine bestmögliche Übereinstimmung von digitalem Proof und Produktionsdruck unter verschiedenen Lichtbedingungen ergibt sich, wenn sich Proofsubstrat und Produktionssubstrat im Glanz und im Anteil optischer Aufheller möglichst ähnlich sind.
Situation im Offset-Akzidenzdruck
Für den Offset-Akzidenzdruck wurden im Jahr 2009 eine Reihe neuer Standards verabschiedet, die in den nachfolgenden Jahren zu einer Reihe von Produktneuerungen geführt haben, die auch für den Verpackungsdruck auf papier-basierten Substraten relevant sind. Dies sind insbesondere:
Mehr UV-Anteil im D50 Normlicht: ISO 3664:2009
Die ISO 3664:2009 beschreibt erstmals explizit den UV-Anteil im D50-Normlicht für die Abmusterung von Proof und Druck in der Druckvorstufe und dem Drucksaal. Seit 2011/2012 werden Leuchtstoffröhren für Druckabmusterung nach diesem Standard produziert. Leuchtmittel die der ISO 3664:2009 entsprechen, haben einen etwas höheren UV-Anteil im Licht als ihre Vorgänger-Modelle oder auch als die preiswerten D50-Leuchtmittel, die allerdings nicht explizit für die Druckabmusterung produziert werden. Weisen Proofsubstrat und Produktionssubtrat unterschiedliche starke Anteile optischer Aufheller auf, so sind diese Unterschiede unter norm-konformem Licht stärker sichtbar als früher.
M1-Farbmessung mit definiertem UV-Anteil in der Beleuchtung: ISO 13655:2009
Ebenfalls im Jahr 2009 wurde die ISO 13655:2009 verabschiedet, die die Rahmenbedingungen für die spektrale Farbmessung in der grafischen Industrie definiert. Die in dieser Norm definierte Messbedingung M1 schreibt als Referenzlicht für die Farbmessung den gleichen UV-Anteil vor wie beim Normlicht. Der ebenfalls in der Norm definierte Messmodus M2 beschreibt für die Farbmessung ein Referenzlicht ohne UV-Anteil.
Handmessgeräte für die grafische Industrie wie z.B. das X-Rite eXact oder das Techkon SpectroDens bieten die Möglichkeit sowohl nach M1 und M2 zu messen, als auch den M0-Messmodus zu wählen, der im Verpackungsdruck noch weit verbreitet ist, aber einen sehr geringen UV-Anteil in der Beleuchtung enthält.
Im Bereich der Inline-Messung ist der Markt derzeit deutlich enger. Vorreiter ist die Firma Grapho Metronic mit ihrem ISS-Messkopf. Dieser wird derzeit vorwiegend im Rollenoffsetdruck eingesetzt, lässt sich aber auch im Flexo- und Tiefdruck nutzen.
Aufhellungskategorien für Drucksubstrate und Proofmedien
Misst man optisch aufgehellte Papiere bzw. Kartons nacheinander im M1- und M2-Modus, so ergibt die M1-Messung ein deutlich bläulicheres Ergebnis als die M2-Messung. Dieser Unterschied wird im L* a* b*-Farbraum besonders im b*-Bereich sichtbar.
Im Standard ISO 12647-7:2016 für das digitale Proofing sind verschiedene Kategorien für optisch aufgehellte Drucksubstrate und Proofmedien aufgeführt, die sich an der Differenz zwischen M1 b* und M2 b* orientieren. Stimmen Proofmedium und Drucksubstrat in ihrer Aufhellungskategorie überein, so ist dies einer besseren Übereinstimmung von Proof und Druck bei wechselnden Lichtbedingungen dienlich. Das ist z.B. dann der Fall, wenn in der Druckvorstufe und dem Drucksaal explizit mit Licht nach ISO 3664:2009 gearbeitet wird, aber der Auftraggeber nur mit Standard D50-Licht arbeitet. Die Branchenorganisation Fogra zertifiziert seit vielen Jahren Proofmedien und publiziert die Ergebnisse frei zugänglich unter https://www.fogra.org/fogra-fogracert-de/druckvorstufe/proof/proof-substrat /zertifizierte-proof-substrate/.
Dort kann man z.B. Proofmedien nach Aufheller-Kategorien suchen.
PSO 2016, FOGRA51, Altona-Testsuite 2016
Zum Jahreswechsel 2013 / 2014 hat die ISO 12647-2 für den Offsetdruck ein Update erfahren. Unter anderem werden hier die Farbmessung nach M1 und ein neues Normlicht vorgeschrieben.
Rund um den neuen Standard ist in den letzten beiden Jahren eine Reihe von Tools entstanden. Die Fogra hat für den Druck auf gestrichenem Papier nach ISO 12647-2:2013 den Messdatensatz Fogra51 publiziert, auf dessen Basis Farbprofile für Proof und Separationen berechnet werden können. Die Branchenorganisation ECI veröffentlichte auf ihrer Internetseite www.eci.org dazu das passende Profil PSOcoated_v3.icc. Dieses Pärchen sind die Nachfolger von Fogra39 bzw. dem Profil ISOcoatedv2_eci.icc, die als Übergabestandards im Verpackungsdruck mittlerweile weit verbreitet sind.
Ein kompletter Workflow von der Druckvorstufe über den Proof bis zum standardisierten Druck auf Basis der ISO 12647-2:2013 und Fogra51 wird im neuen kostenpflichtigen Handbuch „Prozess-Standard Offsetdruck 2016“ beschrieben. Die wichtigsten Eckdaten für Druckvorstufe, Proof und Druck stellt der Bundesverband Druck & Medien (bvdm) darüber hinaus per kostenlosem Download im Medienstandard Druck zur Verfügung. Die Altona Testsuite (Ausgabe 2016) enthält sowohl Referenzdrucke die gemäß PSO 2016/Fogra51 produziert wurden, als auch solche, die nach dem neuen Standard Fogra52 für stark optisch aufgehellte ungestrichene Papiere produziert wurden.
Relevanz für den Flexo- und Tiefdruck ?
Schon in der Vergangenheit hat der Prozess-Standard Offsetdruck stark auf den Flexo- und Tiefdruck ausgestrahlt. So ist Fogra39 / ISOcoated_v2 für viele Teilsegmente im Verpackungsdruck quasi ein Standard für die Datenübergabe von der Designagentur an die Produktion geworden. Für den Druck auf papierbasierten Substraten ermöglichen die neuen Werkzeuge – von der Farbmessung über das Abmusterungslicht und Standard-Farbprofile bis hin zu den Proofmedien – ein neues Qualitätsniveau in der Druckproduktion. Da aktuelle M1- und M2-fähige Farbmessgeräte in vielen Betrieben schon vorhanden sind und viele Tools wie z.B. Farbmessdaten, Profile und der MedienStandard Druck kostenlos zur Verfügung gestellt werden, ist der Aufwand für Reprofirmen und Druckereien gering, sich mit den neuen Tools vertraut zu machen. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass die Bandbreite der Färbungen einschließlich den Kategorien für optische Aufhellung im Verpackungsdruck groß ist. Eine Nutzung von Fogra51/51 in der Vorstufe und im Proof einschließlich optisch aufgehellter Proofmedien macht für Kartonage oder andere papierbasierte Substrate nur Sinn, wenn der Aufhellungsgrad den Standards im Akzidenz-Offsetdruck entspricht. Für Drucksubstrate ohne optische Aufheller ist es sinnvoller, eigene Profile zu erstellen und ebenfalls ein Proofmedium ohne optische Aufheller zu verwenden. Die M1-Messtechnik lässt sich dabei problemlos nutzen und zeigt in diesem Fall eine gute Übereinstimmung mit der M0-Messung. Druckereien, die für papierbasierte Substrate eine Inline-Messlösung erwerben wollen, sind mit einem M1-fähigen System – wie z.B. dem ISS von Grapho-Metronic – sicher für die Zukunft aufgestellt.