Die Haltbarkeit der Oberflächenspannung von Foliensubstraten
von Ansgar Wessendorf,
Jan Eisby, CSO beim dänischen Pionier für Oberflächenbehandlung Vetaphone A/S, erläutert im Interview mit Extrusion & Converting (Flexo+Tief-Druck) die Auswirkungen des Faktors Zeit auf den tatsächlichen Dyne-Wert, also die Oberflächenspannung der jeweiligen Folie, sowie die Bedeutung des Begriffs „Haltbarkeit“ für den gesamten Produktionsprozess.
Bitte legen Sie zunächst dar, was Sie unter „Haltbarkeit“ verstehen?
Jan Eisby: Im Rahmen dieses Gesprächs beziehe ich mich auf die verschiedenen Arten von Kunststofffolien, die heute im Verpackungsdruck zum Einsatz kommen. Unabhängig davon, ob es sich um flexible Verpackungen, Etiketten, Schrumpfschläuche oder Beutel handelt, alle hierfür genutzten Foliensubstrate sind grundsätzlich nicht saugfähig und müssen daher oberflächenbehandelt werden, um eine sichere und zuverlässig Anhaftung von Farben, Lacken oder Klebstoffen zu gewährleisten. Dies beginnt bereits mit der Extrusion, bei der das herzustellende Substrat einer Corona-Behandlung unterzogen wird, um die gewünschten Dyne-Werte zu erreichen. In diesem Zusammenhang muss allerdings auch darauf geachtet werden, was mit diesem Dyne-Wert in dem Zeitraum geschieht, bevor das Substrat tatsächlich in der Produktion verwendet wird. Das ist es, was ich als „Haltbarkeit“ bezeichne. Diese Definition bezieht sich also ausschließlich auf die Haltbarkeit der Oberflächenspannung der Verpackungsfolie, nicht jedoch des jeweiligen Füllgutes.
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Warum ist der Dyne-Wert so wichtig?
Jan Eisby: Damit eine Flüssigkeit sicher an einem Folienmaterial haftet, muss die relative Oberflächenspannung zwischen den beiden entsprechend eingestellt werden. Diese ist bei unbehandelten Folien sehr niedrig, so dass jede darauf aufgetragene Flüssigkeit die Form kleiner Kügelchen auf der Oberfläche annimmt, sich jedoch nicht flächig verteilt und anhaftet. Eine Corona-Behandlung des Materials mit dem Ziel der Erhöhung des Dyn-Werts ermöglicht jedoch die Anhaftung flüssiger Medien während Druck und Weiterverarbeitung. Auf diese Weise lassen sich nicht nur qualitativ hochwertige und daher verkaufsfähige Verpackungen herstellen, sondern damit reduziert sich auch spürbar die Makulatur- und damit die Abfallrate.
Sind durch die Oberflächenbehandlung bei der Extrusion erreichten Dyne-Werte ausreichend für den gesamten nachgelagerten Produktionsprozess?
Jan Eisby: Nein, das sind sie eindeutig nicht! Ein Blick auf die einzelnen Produktionsschritte verdeutlicht die Komplexität dieser Tatsache. Zuerst wird die Folie extrudiert, dann bedruckt und zusätzlich mit einem Klebstoff für die Laminierung oder einer Lackschicht versehen, bevor das Endprodukt vorliegt. Zwischen jedem dieser Prozesse liegt in der Regel jeweils ein gewisser Zeitraum. Unabhängig von dessen Dauer gilt die Regel, dass die Zeit grundsätzlich kein Freund von Dyne-Werten ist, denn alle Materialien sind dem kontinuierlichen Zerfall der eingebrachten Oberflächenspannung im Verhältnis zur Zeit ausgesetzt.
Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Jan Eisby: Um sicherzustellen, dass jeder Produktionsschritt störungsfrei abläuft, muss zuvor der individuelle Dyne-Gehalt des jeweiligen Substrats geprüft werden. Also vor dem Druck, dem Klebstoffauftrag und der Beschichtung. Diese Überprüfung gilt auch für den Schmalbahnbereich, wo üblicherweise viele dieser Prozessschritte in einem Durchgang und daher ohne Zeitverzögerung durchgeführt werden. Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang besteht darin, dass sich die neuen Digitaldruckfarben anders verhalten als Flexodruckfarben, die sie ersetzen sollen. Allein schon dies erfordert daher eine ständige Kontrolle der Dyne-Werte.
Wenn Zeit stets Dyne-Zerfall bedeutet, wo liegt dann das größte Problem?
Jan Eisby: Die größte Zeitverzögerung tritt in der Regel zwischen dem Extrudieren der Folie und ihrer Bedruckung auf. Diese kann wenige Tage betragen, sich aber auch oft über Wochen und sogar Monate erstrecken. Die Lagerung der Folie ist also von entscheidender Bedeutung. Das Problem besteht darin, dass die Substrathersteller in den Datenblättern ihrer verschiedenen Folien keine klaren Angaben zu diesem Thema machen.
Wenn ein Hauptproblem die Lagerung ist, welche Informationen können Sie dazu geben?
Jan Eisby: Zunächst einmal sind einige Kunden besser für die Lagerung gerüstet als andere, und der Verfll der Dyne-Werte ist nicht unbedingt einheitlich, so dass jeder Fall anders liegt. Es ist auch wichtig, dass die Folie bei der Extrusion korrekt oberflächenbehandelt wurde, da dies Auswirkungen auf die Haltbarkeit und die Fähigkeit zur Auffrischung nach der Lagerung hat. Es gibt vier Faktoren, die für den Dyne-Zerfall während der Lagerung verantwortlich sind: Zeit, Feuchtigkeit, Zusatzstoffe und Verschmutzung. Diese Faktoren bilden das so genannte „Zerfallsprofil“. Dabei gilt der Grundsatz: Je stärker die Einwirkung dieser Faktoren, , desto stärker der Dyne-Zerfall.
Wie sollte ein Verarbeiter das Material am wirkungsvollsten testen?
Jan Eisby: Der Test mit einem Dyne-Stift ist eine einfache, zuverlässige und auch kostengünstige Methode, vor allem, wenn sie mit den Kosten in Bezug gesetzt werden die entstehen, wenn Prozessschritte mit ungleichen Niveaus der Oberflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Substrat versucht werden. Wir bieten auf unserer Website die entsprechenden Dyne-Stifte zum Kauf an.
Wie unterstützt Vetaphone die Verarbeiter bei der Bewertung ihrer Substrate?
Jan Eisby: Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich das Beispiel eines Kunden anführen, der uns verschiedene Materialien zum Testen in unserem Labor vorlegte. Es handelte sich dabei um zwei PE-Typen – eine versehen mit einem Additiv von 600 ppm, der andere ein oberflächenbeschichtetes Material. Beide Oberflächenspnnungen zerfielen anfangs mit der gleichen Geschwindigkeit, aber das oberflächenbeschichtete Material pendelte sich nach einem Monat bei 42 Dyne ein, während das andere Material während der dreimonatigen Testphase weiter bies auf 36 Dyne abfiel. Der Kunde steht also vor der Wahl, entweder im Voraus mehr Geld für oberflächenbeschichtetes Material auszugeben oder aber die Kosten und Mühen einer Auffrischungsbehandlung des billigeren Materials nach einer gewissen Lagerzeit auf sich zu nehmen.
Wir haben bisher über die Corona-Oberflächenbehandlung gesprochen. Wie verhält es sich mit der Plasmabehandlung?
Jan Eisby: Sollen möglichst hohe Dyne-Werte erreicht werden, so ist Plasma sicherlich die beste Form der Oberflächenbehandlung. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie über lange Zeiträume beibehalten werden müssen, typischerweise bei Folien in der Landwirtschaft, aber durchaus auch bei anderen Anwendungen. Unsere Labortests zeigt, dass durch die Corona-Behandlung zwar der gewünschte Dyne-Wert für Druck- oder Klebeanwendungen erreicht wird, der Zerfall jedoch relativ schnell fortschreitet. Im Vergleich dazu werden bei einer normalen Plasmabehandlung zwar höhere Dyne-Werte erreicht und der Zerfall erfolgt langsamer erfolgt. Im Gegensatz dazu werden bei der Hochleistungs-Plasmabehandlung nicht nur die höchsten Dyne-Werte erreicht, sondern dieses Niveau auch über einen viel längeren Zeitraum beibehalten. Aber auch hier ist es eine Frage der Kosten, denn die Plasmabehandlung ist ein sehr komplexes und daher teures Verfahren, und darüber hinaus ist Corona in den meisten Fällen auch besser geeignet.
Welche Empfehlungen gibt Vetaphone den folienverarbeitenden Betrieben?
Jan Eisby: Die Kenntnis der Folienparameter ist von entscheidender Bedeutung. Dies bezieht sich auf Schlüsselelemente wie die Reinheit des Material, die enthaltene Menge an Additiven und die Körnung. Es ist daher eine Entscheidung gefordert, das bereits erwähnte Abklingprofil zu beherrschen oder eine JIT-Produktion durchzuführen, bei der keine Lagerung notwendig ist. Bei der Lagerung ist darauf zu achten, die Umgebungstemperatur im Bereich von 15 °C bis 20 °C und die Luftfeuchtigkeit zwischen 50% und 60% zu halten. Ebenfalls ist darauf zu achten, die Rollen zum Schutz vor Staub und Schmutz entsprechend einzuwickeln. Um die Verarbeitungsparameter voll zu verstehen, benötigen die Verarbeiter von ihren Lieferanten jeweilige Angaben zur Oberflächenspannung von Druckfarben und Klebstoffen. Bei der Messung der Oberflächenspannung lässt sich anhand des Kurvenprofils die für die Erreichung des gewünschten Dyne-Wertes benötigte Verstärkungsdosierung berechnen, um in jedem Prozessschritt die richtigen Werte zu erreichen.